Von Matthias Bosenick (21.08.2024)
Wer eine Katze als Freund hat, weckt schon mal Aufmerksamkeit. Mr. Bogd, offenbar ein Geschäftsmann, der sich auf eine Reise begibt, nennt eine Katze seinen Helden, mitten im Album „The Story Of Mr. Bogd, Part 1“ – dem Comeback des schwedischen Prog-Quartetts Ritual nach 17 Jahren Pause. Das gestalten die Stockholmer gleich mal als Auftakt eines Doppel-Albums, dessen zweiter Teil noch aussteht. Die Musik ist wild: Gefühlt ist hier kein Instrument nicht zu hören, kein prog-verwandtes Genre ebenso, alles pendelt verspielt zwischen Frickelei und Narration, man staunt. Und schnurrt.
Schwer zu sagen, was genau dazu führt, aber gleich mit den ersten Tönen generiert die Band das Etikett Steampunk im Kopf des Hörenden. Vielleicht, weil das Cover so etwas nahelegt, das eine staubumwölkte Kutsche in vollem Galopp und mit Fahrgast in End-Neunzehntes-Jahrhundert-Kleidung zeigt, vielleicht, weil die Musik etwas Artifizielles, leicht Übertriebenes hat, weil sie anachronistisch Epochen vermengt, weil sie an den Soundtrack der Steampunk-Hörspielserie „Wayne McLair“ erinnert, wer kann es schon sagen, aber das Wort steckt im Kopf und taucht dort während des Hördurchlaufes immer wieder mal auf.
Nicht als einziges: Folklore dringt durch, und das nicht nur, weil die vier die Nyckelharpa einsetzen, denn manches erinnert auch an den englischen Folk der Sechziger. Oft kann man nicht wirklich Genres festmachen, wenn die Band ihr Instrumentarium durcheinanderwürfelt, von Orgel, Klaviergeklimper, Flöte, Mundharmonika, Geige, Bouzouki, Akustikgitarre bis hin zu Chören. Das Cliffhanger-Finale „The Three Heads Of The Well“ klingt sogar orientalisch, andere Sequenzen sind so frickelig, als hätten Ritual bei Primus oder The Nightingales abgeguckt. So richtig von Prog-Rock indes kann kaum die Rede sein, jedenfalls nicht mit dem Schwerpunkt auf Rock: Die verzerrte Gitarre ist so gut wie gar nicht auszumachen.
Die ständigen Brüche und Rhythmuswechsel wiederum lassen sich leicht dem Prog zuordnen, stellen indes auch die größte Zugänglichkeitshürde dar, wie sie zum Genre zwangsweise gehört: Die Struktur der Stücke ist schwer zu durchdringen, Track-Indizes wirken zunächst willkürlich gesetzt. Man hat nur wenige Passagen, in denen man sich einfach nur in der Musik fallen lassen kann, ansonsten galoppiert sie so vielseitig wie die Geschichte voran; das Instrumental „Through A Rural Landscape“ ist so ein Ruhepol. Dazu kommt, dass man sich auf die relativ hohe Stimmlage einstellen muss; immerhin ist der Gesang variantenreich und in den energetischen Momenten angenehm ausdrucksstark.
Gleich mit „A Hasty Departure“ steckt man in einer wilden Geschichte, die von diesem als mysteriös dargestellten Mr. Bogd handelt, den man fortan begleitet. So gestaltet sich das Album beinahe wie ein musikalisches Hörbuch, auf dessen zweiten Teil man gespannt wartet. Einen Ausblick darauf bekam man bereits vor vier Jahren auf der EP „Glimpses From The Story Of Mr. Bogd“, die drei Stücke von „Part 1“ und eines von „Part 2“ beinhaltet. Vier Jahre also bis zur Vollendung des fünften Albums der Stockholmer, das nun 17 Jahre nach dem Vorgänger „The Hemulic Voluntary Band“ und 31 Jahre nach Bandgründung erscheint. Ein Datum für „Part 2“ steht offenbar noch nicht fest – man braucht wohl einen langen Atem. Übrigens hat sich die Bandbesetzung seit 1993 nicht verändert: Sänger und Gitarrist Patrik Lundström, Bassist Fredrik Lindquist, Schlagzeuger Johan Nordgren und Keyboarder Jon Gamble sind sich treu verbunden. Als fünftes kommt nun also Mr. Bogd hinzu sowie dessen „Feline Companion“. Meow!