Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Alles nur geklaut.

Von Onkel Rosebud

Ich weiß noch, als meine Freundin zum ersten Mal den Song und vor allem das Intro zu „Bitter Sweet Symphony“ von Richard Ashcroft hörte, stellte sie das Rotweinglas ab und ihre Augen schauten mich schräg-fragend an: „Häh, woher kenne ich das?“ Daraufhin erklärte ich ihr, dass der knuddelige Sänger der Formation The Verve nach der ersten Auflösung in einer Rolling-Stones-Coverband jobbte und dabei wohl das Streichersample in der Orchesterversion von „The Last Time“ entdeckt hat. Der Rechtsstreit mit Allen Klein – ehemaliger Manager der Rolling Stones und Rechteinhaber des Songs – dauerte mehr als 20 Jahre und dabei ging es um mehrere Millionen Dollar Veröffentlichungstantiemen.

Zur DNA der Menschheit gehört das Klauen von Ideen anderer, um sich einen Vorteil zu verschaffen. In der populären Musik treibt das besondere Blüten. Die Kehrseite des Älterwerdens und wenn man sich noch dazu in der Popkultur einigermaßen auskennt, ist, dass einem das auffällt und dass man denkt, fcuk, alles schon mal dagewesen und wie dreist ist das eigentlich. Als die meinerseits allzeit-geschätzte Band Radiohead den Monsterhit „Creep“ rausbrachte, fragte ich mich sofort, was wohl Albert Hammond und Mike Hazlewood dazu denken. Deren Song „The Air That I Breathe“ stand da wohl mehr als nur Pate. Fast zwei Jahrzehnte später war es Lana Del Rey, die für ihren Song „Get Free“ bei „Creep“ ein bisschen zu genau hingehört hat. Oder Nirvana „Come As You Are“ ist ein wieder aufgebrühter Teebeutel von Killing Joke „Eighties“. Coldplay wählte ich einst nicht nur deswegen dauerhaft ab, weil ich feststellte, dass „Viva La Vida“ bereits von Joe Satriani mit „If I Could Fly” vorgetragen wurde. „Shakermaker“ von Oasis ist „I’d Like To Teach The World To Sing“ von The New Seekers. Selbst die Beatles haben mit „Come Together“ nicht nur sich selbst, sondern auch „You Can’t Catch Me“ von Chuck Berry ein Denkmal gesetzt.

Die Liste ist endlos. R’n’B scheint undenkbar, ohne sich bei Marvin Gaye zu bedienen. Aber meine persönliche Krone zu diesem Thema tragen Huey Lewis And The News. Das Markenzeichen dieser Inkarnation einer Plagiat-Combo war, Lieder aus den 50ern mit damals in den Achtzigern neuen technischen Möglichkeiten der Klangerzeugung charttauglich aufzumöbeln, und ihre Leistung bestand darin, diese dann vor Publikum auch noch begeisternd a cappella vorzutragen. Deren kommerzielles Durchbruchsalbum „Sports” (1983) kupfert so offensichtlich bei Jimi Hendrix und einer Band namens Exile, dass sich die Balken biegen. Exile ist eine amerikanische Country-Rock-Band mit mindestens einer guten Idee, die man nicht kennen muss.

Huey Lewis wurde dann auch selbst beklaut. Das Titellied zum gleichnamigen Film „Ghostbusters“ von Ray Parker Jr., ein Überall-Nummer-Eins-Hit, existiert tatsächlich doppelt geklaut. Es ist „I Want A New Drug“ aus dem Huey-Erfolgsalbum und geht doch auf Hank Williams zurück.

Dass sich in der Popkultur quasi jeder von jedem bedient, damit kann ich leben, solange es die Kreativität beflügelt und neue Interpretationen zulässt. Es ist ja auch nicht so, dass alle Ideen, die in dieser Kolumne geäußert werden, ureigentlich meine eigenen sind. Doch, was ich gar nicht leiden kann, ist der copy-and-paste-Mechanismus im sogenannten professionellen Journalismus. Stichworte: Quellenangabe, fake news und Click-Baiting. Bevor ich anfange, mich darüber richtig aufzuregen, höre ich lieber auf zu schreiben.

Onkel Rosebud