Von Guido Dörheide (30.07.2024)
Nachricht von Christof. Der Freund, der Kollege, die Legende, der Checker schreibt: „Hi Guido, heute ist die neue Powerwolf-CD rausgekommen.“ Und was soll ich sagen, bei mir in der Küche lief sie da schon. Es ist nun zwei Jahre her, dass Christof und ich uns Iron Maiden, Airbourne und eben die besagten Powerwolf im Frankfurter Waldstadion angesehen haben (nochmal danke, Christof, für das tolle Weihnachtsgeschenk mitten im Juli) und seitdem Fans der fünf liebenswerten Rumänen aus dem Saarland sind. Nun frägte ich mich aber, ob eine Band, die ich aus einem Konzert in liebenswerter Erinnerung habe und deren Werk ich mir erst im Nachhinein erschlossen habe, mich auch mit neuem, mir bis dahin unbekannten Studiomaterial zu begeistern vermag.
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Hier kann ich dann gleich mal ein wenig spoilern, Attila Dorn (voc), die „Gebrüder“ Charles und Matthew Greywolf (git, b), Roel van Helden (dr) und nicht zuletzt Falk Maria Schlegel an den Tasteninstrumenten wissen auch jenseits von „Armata Strigoi“, „Demons Are A Girl’s Best Friend“, „We Drink Your Blood“, „Amen & Attack“, „Stossgebet“ usw. usw. zu begeistern, sind weiterhin sowohl blessed als auch possessed und sich mit „Kyrie Klitorem“ auch fürderhin für keinen Pennälerwitz zu schade. Und das ist gut so: Mottobands gibt es zuhauf, Santiano sind beispielsweise auf dem Gebiet der Seemannsrockmusik ähnlich unangreifbar wie die ähnlich unangreifbaren Running Wild, der ganzen Mittelalter-Feuerschwanzschandmaultanzwut entziehe ich mich mangels Begeisterung und Interesse, dann gibt es noch keltischen Rock wie die wunderbaren Keltics (Matze, die darfst Du gerne hier mal verlinken), und das rumänische Werwolfmetall wird eben sehr powervoll aus dem Saarland von den Wölfen Gottes heraus bedient. Und das wirklich sehr gut, wie jede:r, die/der mal ein Powerwolf-Konzert erleben durfte, zu bestätigen wissen wird. Die Gefahr besteht nur darin, dass sich ein solches Konzept irgendwann mal totläuft und zu langweilen beginnt. Zumal wir uns hier, sind wir ehrlich, auf dem nicht sonderlich innovativen Territorium des Power Metal bewegen. Eins zwei drei, Power!
Unsere wackeren Recken aus dem Saargebiet indes scheißen sich nix und liefern auf ihrem zwölften oder so Studioalbum einfach das ab, was sie können wie keiner sonst. Mit „Bless ‘em With The Blade“ (jahaa, klingt nach „Sanctified With Dynamite“, macht aber nichts, weil der Song wirklich toll ist) legen Powerwolf gleich zu Anfang mit viel Doublebass, überhaupt viel Bass, unaufgeregten Gitarren und sehr melodiösem Gesang los, und das in schön schnellem Tempo. Und Attila Dorn ist ein wirklich guter Sänger, er kann Tenor, Bariton, Röhren und Röcheln und immer passt es auf das Vortrefflichste. Das nächste Stück, „Sinners Of The Seven Seas“, gerät nochmal um einiges melodischer und vor dem letzten Refrain demonstrieren Dorn, Schlegel und Kollegen, dass sie ein mindestens mittleres Latinum besitzen, genau sooo muss Powerwolf.
Powerwolf-Hörende sind durch beispielsweise „Resurrection By Erection“ schon Schlüpfriges gewohnt, so dass auch „Kyrie Klitorem“ nicht weiter schockiert, dafür aber mit Schlegels Keyboards, Chören und schönen Melodien umso mehr Laune macht. Der Text handelt davon, dass Ficken irgendwie doch besser ist als Glauben, wenn ich das richtig verstanden habe, und da soll dann ein jeder beigehen und sich selber ein Bild davon machen, denke ich. Auf „Heretic Hunters“ arbeiten sich Powerwolf dann weiter eifrig an der Bibel ab, und das machen sie gut, denke ich. Powervolle Choräle, Schlegelsche Orgeln en masse, tut alles nicht weh und bedient die Verehrenden. Gegen Ende allerdings sägen die Gitarren nochmal schön los, lassen sich dann von Orgelspiel und Gitarrensoli ablösen und setzen so der Domplatzromantik einigermaßen was entgegen, bevor der hymnische Refrain alles wieder einlullt. Alsdann klimpert ein Klavier und leitet „1589“ ein, das sich mit dem Werwolf-Prozess gegen Peter Stump im Jahr 1589 beschäftigt. Hier auch wieder Powerwolf vom Feinsten, Krach, der nicht wehtut mit Attila Dorns stadiontauglichem Gesang, aber sehr schön alles und Geschichte zum Anfassen. Das folgende „Viva Vulgata“ beschäftigt sich mit der volkstümlichen lateinischen Bibelübersetzung (vulgo ‚Vulgata‘) und fasst deren Aussage bildhaft, wenn auch nicht wirklich schön (Bibel, wie bereits erwähnt) zusammen. Mit viel „Ave Maria“, was wirklich immer toll klingt, wenn Attila Dorn es anstimmt.
Danach wird es wieder Zeit für Doublebass, das Titelstück steht ins Haus. Und damit wecken Powerwolf die Bösen wahrhaft auf, schnell, schön gesungen, und die Band singt mit. Genau wie danach bei „Joan Of Arc“. Ohne Scheiß, so ein Trallala à la „La la la la la, la la la la la, la la la la Joan of Arc“ können WIRKLICH NUR Powerwolf bringen, ohne dass es peinlich wird. Hammer.
Auf „Thunderpriest“ klingt es dann weder nach AC/DC noch nach Frankie Lee, sondern wieder zu 100% nach Powerwolf im Uptempo. Und genauso wollen wir unsere Powerwolf. Melodie, Chorgesang, Soli, Orgel, yessss! „We Don’t Wanna Be No Saints“ (sehr schöne Dreifachverneinung, was bitte wollt Ihr nie niemals nicht sein?) mit Kinderchor und Powergeballer haut in dieselbe Kerbe und wieder einmal mehr wollen wir das aufs Neue hören. Das das Album beschließende „Vargamor“ beginnt stimmig mit Windesrauschen und mittelalterlichen Blasinstrumenten, und auch Attila Dorn passt seinen Gesang dieser Stimmung an. Um dann in ein Dschingis-Khan-mäßiges „Vargaaaamooooor!“ zu verfallen, und was soll ich sagen? Es funktioniert, es klingt echt, und Powerwolf haben mich mal wieder um den Finger gewickelt und ich kann ihnen nicht böse sein. Dafür sind sie zu sympathisch und musikalisch einfach zu gut.
Apropos gut: Mit gut 37 Minuten hat „Wake Up The Wicked“ eine angemessene Länge, und wieder einmal mehr zeigen Powerwolf, wo der Wolf seine Power herholt (und ich bin stolz, dass ich hier bis jetzt nichts vom Werwolf aus der Po-Ebene geschrieben habe) und dass Stadionkompatibilität und gute Alben durchaus Hand in Hand gehen können.