Von Matthias Bosenick (18.07.2024)
Was für Musik macht man mit lediglich Schlagzeug und Gitarre? Fun-Punk oder Indierock? Oder – Ambient? Für letzteres entscheidet sich das Belgisch-Schwedische Duo The Void Of Expansion, indem die Gitarre flächige Drones absondert und das Schlagzeug dazu ungezügelt herumgaloppiert. Da steckt natürlich eine Menge Jazz drin, und wer die improvisierten Kunstwerke von Jörg A. Schneider verehrt, ist bei „Escaper“ ebenso sehr gut aufgehoben, dem vierten gemeinsamen Album des Duos, bestehend aus Gitarrist Dirk Serries aus Antwerpen und Schlagzeuger Tomas Järmyr aus Sandviken, der in Trondheim lebt.
Vier Tracks zwischen zwölf und gut 14 Minuten erstellt das Duo auf „Escaper“, schon mal ordentlich Zeit, jeden Track atmen zu lassen. Und das tun diese Tracks, bauen sich langsam, leise und behutsam auf, beide Instrumentalisten umschleichen einander und geraten alsbald in einen Rausch. So rauscht dann auch die Musik, die bei diesem energetischen Tanz entsteht: Serries ringt seiner Gitarre Sounds ab, die man nicht zwingend mit diesem Instrument assoziiert. Anfänglich schon, ja, das könnte E-Gitarre sein, die da Flächen generiert, „Dead Man“ oder „Le Noise“ von Neil Young könnten da Pate stehen, doch bald schon entwickelt sich daraus Flirren, Drones, gar Orgelsounds, atmosphärisches Atmen, schmerzgepeinigtes Brüllen, der Hauch der Unendlichkeit.
Zunächst hält sich Järmyr stets zurück, nach einiger Zeit erst schlägt er mal ein Becken an, um sich bemerkbar zu machen, dann lässt er auch mal die Sticks über die Snares und Toms rollen, ganz dezent, und sobald man sich daran gewöhnt hat, dass der Ambientteppich nicht allein um Raum herumliegt, drischt der Drummer auf seinem Arsenal herum, schöpft sämtliche Möglichkeiten zur Sounderzeugung aus, steigert die Energie, die Lautstärke, das Tempo, und vermeidet es stets, auch nur ansatzweise einen Rhythmus entstehen zu lassen. So finden sich zwei Noise-Generatoren nebeneinander ein, um gemeinsam ein Rauschen, ein Brüllen auszustoßen, dem man sich bereitwillig hingibt.
So abstrakt diese Musik auch ist, so leicht fällt der Zugang. Möglicherweise liegt es an der Prägung, sofern man Vergleichbares bereits in seinem Plattenregal stehen hat, und ja, es gibt in der Tat Vergleichbares, zwischen den Schneider Collaborations und Neil Young ist ordentlich Platz und Freestyler finden sich zahlreich rund um den Globus. Und es liegt an der Musik auf „Escaper“ selbst, die mit ihrem Aufbau die Bereitschaft der Hörenden behutsam steigert, sich in dieses sich seinerseits steigernde Inferno fallen zu lassen. Damit entwickeln The Void Of Expansion ein Alleinstellungsmerkmal in dieser Sparte.
Vor zehn Jahren begannen Serries und Järmyr mit dem Album „Ashes And Blues“ ihre Zusammenarbeit als The Void Of Expansion, „Escaper“ ist ihr viertes Album. Beide haben abseits davon eine Biografie, die ganze Wände füllen kann, nicht nur solche aus Lärm. Aber mit Lärm, Serries begann Anfang der Achtziger mit Industrial, entwickelte sich in Richtung Ambient und ist heute eher im Free Jazz anzutreffen, Vidna Obmana und Fear Falls Burning sind zwei seiner Aliasse, als Scatterwound arbeitete er mit Hellmut Neidhardt alias N, und den kennen wir ja als Verbündeten von Jörg A. Schneider. Kreis geschlossen. An nur unwesentlich weniger Projekten ist Järmyr beteiligt; jüngst verließ er Motorpsycho, auf dem Album „Jhator“ von Zu spielte er Schlagzeug, als WERL agiert er mit Aidan Baker, und den kennen wir ja als Verbündeten von Jörg A. Schneider. Kreis geschlossen, einmal mehr.