Von Matthias Bosenick (16.07.2024)
Als hätte es die vergangenen 25 Jahre nie gegeben! Wenn Tobi Morare neue Musik generiert, dann vermengt er darin das Beste, was elektronische Musik in den Neunzigern zu bieten hatte: Bigbeat, Hip Hop, Trip Hop, Downbeat, was auch immer. Seine Melange ist dynamisch und auf den Punkt, er hält sich nicht lang auf und wechselt jeweils nach gut zwei Minuten wieder den Dancefloor. „Whiplash“ ist retro – und eine Aufforderung, wahlweise zu tanzen oder mit Kräuterzigaretten ausgestattet mit dem Kopf zu nicken.
Der Titeltrack könnte von The Chemical Brothers sein, zwischen „Exit Planet Dust“ und „Dig Your Own Hole“, versetzt mit Samples, die man so eher von Fatboy Slim erwartet hätte. „True Kings“ kombiniert Downbeat Wiener Schule mit Hip Hop und Trip Hop (die Gitarre könnte von Portishead sein), „Selecta“ macht aus Balearen-House einen Clubtrack mit abschließenden Breakbeats, „Booty“ grundiert Jazz-Funk mit Hip Hop, „Lagoon“ transferiert Caféhaus-Downbeat an den Strand und „Riptide“ versetzt James Brown ins New York der Beastie Boys. Was ein Ritt! Und komplett ohne Gesang, für Stimmen verwendet er Sprachsamples, und das passt perfekt.
Es ist gerade mal eine Viertelstunde Musik, die Morare hier kredenzt, er hält sich nicht lang auf, er weiß, wann eine Idee auserzählt ist, er streckt sie nicht künstlich und macht sie damit attraktiver, punktierter. Jetzt kann man natürlich sagen, dass er seine Ideen ja nur zusammengesucht hat, aber er kombiniert sie auf eine Weise, wie es sie in den Neunzigern gar nicht gab. Dabei bleibt er authentisch im Sound der Zeit, er bindet keine Modernismen ein; er hilft damit den in die Jahre gekommenen Neunziger-Kids, sich zu erinnern, und dem Nachwuchs, sich zu orientieren.
Vor elf Jahren startete Morare seine musikalische Laufbahn mit der EP „Viper Room“, seitdem gab es zwei Alben und mit „Whiplash“ nun die sechste Single oder EP, zuletzt erschien im vergangenen Jahr „Urban Heat“. Außerdem steuerte er einen Remix zu Axel Prahls Remix-Doppel-LP „Assel π“ bei, indem er den Titeltrack des Album „Blick aufs Mehr“ neu bearbeitete. Diese EP masterte übrigens Labelchef Bert Olke selbstpersönlich!