Von Guido Dörheide (10.07.2024)
Below the waist – Unterhalb der Gürtellinie also gewissermaßen – aha, okay. Ach nee – „Below The Waste“, also unterhalb des Mülls, darauf bezieht sich also der Titel des dritten Albums von Goat Girl. Einer 2016 in London gegründeten Indie-Band, die ausschließlich aus Frauen besteht. Und sich nach einer Mischung aus Elastica, den Breeders und The Fall, für die Goat Girl auf deren letzter Tour vor dem Tod von Mark E. Smith die Vorband waren, anhört – also keine Frage, da muss ich mal reinhören. Und ich stamme ja selber aus einer sogenannten Ziegenstadt und daher interessiert mich Goat Girl schon alleine deswegen.
Und bin begeistert: Mit „reprise“ beginnt das Album quasi mit einem Nachspiel, pling pling und es regnet und so. Dann kommt der erste richtige Song, „ride around“, mit so richtig gelangweiltem Schlagzeug, gelangweilter Gitarre und tollem Gesang, ebenfalls gelangweilt. Und genauso klingt auch Text: „Shall we go / ride around / hit the floor / dawn is out.“ Oh-ooh. Der nächste Song, „words fell out“, hat deutlich mehr Text und begeistert musikalisch aus denselben Gründen wie der vorherige Song: Die Musik ist düster mit dennoch viel Pling-Pling, wir erinnern uns an die Smiths, die ebenfalls viel hohe Töne benutzten, um unglaublich dunkel zu klingen, und der Gesang von Lottie Pendlebury ist echt Welt. Anstatt ihn hier zu beschreiben, rufe ich lieber die Hörenden auf, mal in das Album hereinzuhören. Weiter geht es mit „words fell out“, mit klimpernder Gitarre und wunderschönem Schlagzeug und Bass, und Pendlebury singt – ich hasse diesen Vergleich wie die Pest, aber hier schreibe ich und kann nicht anders – wie ein Engel. Und haut damit ihrem Ex eine Abrechnung vor die Füße, die es in sich hat. Hier gerne mal die Lyrics googeln, das lohnt sich! „play it down“ klingt dann ähnlich düster, „tcnc“ toppt das dann nochmal und erinnert an Kathleen Hannas Le Tigre. Dann folgt „where’s ur <3“, ich mag ja dieses „Größer als 3“-Symbol nach wie vor nicht, weil es wie die Eier aussieht, die der Redneck an die Anhängekupplung seines F-150 hängt, aber wurscht – dieser Song ist wirklich klasse. Ruhig, düster, Lottie Pendelbury singt mit sehr viel Gefühl, und kurz vor 3 Minuten nimmt das Ganze dann nochmal Fahrt – aber nur ein wenig – auf und ich fühle mich an so einiges von Sleater-Kinney erinnert. Hammer!
Danach dann „prelude“. Ja nee is klar, das Album beginnt mit „reprise“ und „prelude“ folgt irgendwo in der Mitte. KANN man machen. Ist ja auch nur 23 Sekunden lang und danach folgt „tonight“, sehr düster, sehr zurückgenommen, sehr wunderbarer Gesang. Und viel Haufen Gut Synthesizer, mag ich gerne. Und dann ein Geräusch wie das „Gleich geht’s los!!!“ beim Autoscooter oder bei diesem anderen Fahrgeschäft, dass sich immer im Kreis rauf und runter und in den letzten drei Runden rückwärts bewegt, und dazu läuft „You Spin Me Round (Like A Record)“ von Dead Or Alive. Aber danach geht es nicht mit 100 km/h rund, sondern ganz ruhig weiter auf „motorway“. Und jetzt wird das Album überhaupt richtig ruhig und ich mag Pendleburys Stimme zwar weiter feiern, aber das Songwriting nicht so richtig. Was aber nicht heißt, dass das Album nun richtig abkackt, aber es ist nun auch eher gut und nicht mehr richtig großartig. Wobei, beim 13. Song „perhaps“ beginne ich schon wieder, mich zu begeistern, ein irgendwie langweiliger Popsong mit eine tollen Melodie und musikalisch auch irgendwie wieder klasse gemacht – Chapeau! Vor allem, wenn dann gegen Ende des Songs Industrial-mäßiges Gehämmer ertönt und Lottie Pendlebury einfach weitersingt, als wäre nichts. „jump sludge“ und „sleep talk“ sind nett, aber auch nicht weiter aufsehenerregend, aber dazu muss ich sagen: Wenn auf diesem Album etwas einfach nur „nett“ und „ansonsten nicht weiter der Rede wert“ ist, ist es unter Umständen immer noch weit weit besser als vieles Andere. „Below The Waste“ unterhält auf wahnsinnig hohem Niveau und alle Songs, die nicht wahnsinnig weit aus wasauchimmer hervorstechen, sind trotzdem unheimlich gut und toll gesungen und überhaupt auch immer. Das letzte Stück, „wasting“, ist auch nochmal wahnsinnig gut, mit einer tollen Melodie (den supergut gemachten Gesang brauche ich hier nicht mehr zu erwähnen, denke ich) und trauriger Stimmung, abartigen schönen Bläser:innen (Saxophon wie Psychedelic Furs in den frühen 80ern, verdammt), also wenn ich zuvor die Qualität von „Below The Waste“ irgendwie nicht über den grünen Klee gelobt habe: Hört da gerne mal rein und bildet Euch ein Urteil, ich bin auf jeden Fall mehr als begeistert.