Von Guido Dörheide (07.07.2024)
Neue Death-Metal-Musik mit no clean singing ist immer ein Quell für Lebensfreude und Daseinsbejahung. Naja, nicht immer, es gibt ja auch noch Sachen für Unterwegs, SFU, Six Feet Under meine ich, die den geneigten Fan eines besseren belehren, was Qualität und Glaubwürdigkeit im Death Metal betrifft. Immerhin sind Chris Barnes und seine Jungs aus Tampa in Sachen Selbstüberschätzung immer in den oberen 5% des vorderen Drittels unterwegs. „Killing For Revenge“ ist auf jeden Fall Scheiße, und das nicht nur, weil es mir nicht gefällt, sondern weil es qualitativ definitiv gegen alles abkackt, was es sonst noch gibt.
Deicide zum Beispiel, ebenfalls aus Tampa, Florida, eine Band, die einem wunderbar auf die Nerven zu gehen vermag, vor allem deren Sänger Glen Benton ist bisweilen eine echte Landplage, mit umgedrehtem Kreuz auf der Stirn und immer für eine satanistisch/antichristliche Provokation zu haben, Gähn!
Deicide sind schon seit 1989 unter diesem Namen unterwegs. „Banished By Sin“ ist ihr 13. Studioalbum seit 1990 und was soll ich sagen, ich mag Deicide. Und das hört bei „Banished By Sin“, für das die Band sich sechs Jahre Zeit gelassen hat, auch nicht auf. Benton hat mal wieder einen der Gitarristen ausgetauscht, Kevin Quirion ist schon seit „In The Minds Of Evil“ (2013) mit dabei, während Taylor Nordberg erst seit 2022 mit von der Partie ist und somit hier sein erstes Studioalbum spielt. Quirion und Nordberg machen ihre Sache wirklich super: Das Riffing auf „Banished By Sin“ ist hart, schnell, irgendwie leichtfüßig und trotzdem immer leicht düster. Die Soli lassen nichts zu wünschen übrig und dienen immer den Songs, nicht den Psychen der Spielenden. Schon auf dem ersten Stück, „From Unknown Heights You Shall Fall“, geht es gut los: Die eine Gitarre rattert, während die andere jault, und dann schrammeln alle beide punkig um die Wette. Alsdann setzt Bentons Cookie-Monster-Style-Growling ein und wir sind es zufrieden. Nach anderthalb Minuten setzt das erste Solo ein und es ist dermaßen unaufdringlich und dennoch super passend für den Song. Hier stiehlt niemand irgendwem die Schau, auch das zweite Solo fügt sich toll ein und gleich danach übernimmt Benton wieder das Zepter, und das macht er gut. Er hat jetzt nicht das Growling irgendwie erfunden oder zu neuen Höhen katapultiert oder so, aber man kann ihm immer gut zuhören und sein Gesang harmoniert wunderbar mit den Instrumenten. Überhaupt Instrumente: Im Death Metal einen Bass herauszuhören, ist eh immer schwierig, aber neben seinen Gesangsbeiträgen macht Glenn Benton auch an diesem Instrument einen guten Job, und nach vorne zur drängen braucht er sich dabei ja auch nicht, da er das ja schon beim Gesang tut. Gut gefällt mit Steve Asheim am Schlagzeug, eins der Gründungsmitglieder der Band, der schnell, präzise und irgendwie auch groovy für Ordnung innerhalb der Songs sorgt. Deicide sind zwar hart und schnell, aber sie zu hören tut nicht weh, sondern gefällt und macht glücklich, und dafür sorgt dieser warme Sound aus Gitarren und Schlagzeug, der von Krümelmonster Benton sehr schön ergänzt wird.
Kommen wir nun zu den Texten: Düster sind sie und handeln von Meistern, Göttern, Dunkelheit, Abgründen und mehr. Und von Erlösung natürlich. Was Benton da herausgrummelt, ist gut gemacht und hört sich stimmungsvoll an. Er ruft dazu auf, Gott mit seinem Kruzifix zu strangulieren, stellt fest, dass er, sobald erwacht von Gott, sein Herz der Blasphemie anheimgegeben hat und dazu immer wieder Satan, Satan, Satan und das Versagen eines, nein nicht irgendeines, sondern Deines sterbenden Gottes. Um IHM zu huldigen, musst Du die Misserfolge Deines sterbenden Gottes ignorieren. Jede:r, die/der das Alte Testament, die Römerbriefe und die Offenbarung gelesen hat, findet sich hier wieder. Besonders hängengeblieben bin ich an „Sever The Tongue“, dem dritten Song auf dem Album. In kurzen, parolenhaft rausgehauenen Satzfragmenten kotzt sich Glenn Benton über das aus, was ihn am Glauben an Gott stört, und hier wie auch in allen anderen Texten auf „Banished By Sin“ stelle ich fest, dass es sich lohnt, zuzuhören, weil Benton nicht nur Antigottesgegeifer aneinanderreiht, sondern sich in jedem Song in lyrischer Art und Weise mit dem Glauben und dem, was daran aus seiner Sicht nicht stimmen kann, auseinandersetzt. Düsteres Riffing, Geratter und tolle, unaufgeregte Soli untermalen das Ganze und machen deutlich, dass Deicide auch im vierten Jahrzehnt ihres Bestehens Relevanz und Existenzberechtigung besitzen.