The Shadow’s Gone Out – John Doe/Final Alarm – Bitume Prods 2024

Von Matthias Bosenick (03.07.2024)

Eigentlich ist Industrial Metal ja eine Musikrichtung, die in den Neunzigern mit sagen wir Ministry und Nine Inch Nails sowie zahllosen weiteren Helden und Epigonen auserzählt ist, davon singen Bands wie Filter noch heute traurige Lieder, weil sie sich nicht wie etwa The Young Gods in andere Sphären entwickelten. Wer heute in dem Stil neu beginnt, muss sich schon unterscheiden, wenn er auffallen will. Das beherzigen The Shadow’s Gone Out aus Tours: Ihr Industrial Metal lässt Peinlichkeiten außen vor, schon allein damit, dass Gesang fehlt und also wahlweise dümmliche Inhalte, banale Melodien oder miese Stimmen. Bitume Prods fasst die Debüt-EP „Final Alarm“ mit der Zwischen-Single „Whispering Ghost“ sowie der neuen EP „John Doe“ zu einem Album zusammen, auf dem das Duo elektronisch-tanzbar und gitarrenlastig-aggressiv zugleich vorgeht – indem es die Aspekte progressiv vermengt und dynamisch darbietet. Der alte Gaul Industrial-Metal ist doch noch nicht tot, er riecht nur … anders.

Die Band bekommt die Mischung gut hin: Das Album beginnt elektronisch, mit Beats und synthetischen Effekten, und geht erst allmählich in analoges Instrumentarium über. Man möchte umgehend tanzen und stellt dann mitten in der Bewegung fest, dass der Head soeben damit begann, ausgiebig zu bangen. Man staunt einmal mehr: Aus den harten Beats heraus erklingt parallel ein reales Schlagzeug, enorm lebendig gespielt, eben wie in einer Metal-Band. Auch mit den anderen Gerätschaften verhält es sich auf diese Weise, Synthies und Saiteninstrumente gehen eine funktionale Liaison ein und erzeugen Druck und Wucht, mal abwechselnd, mal miteinander. Statt Gesang streut die Band gelegentlich Samples ein, einige eingesprochen von Sandrine Grandjean-Samyn, damit vermittels von Sprache etwas zusätzliche Dramaturgie Einzug hält.

Zum vorletzten Erstaunen lassen sich die genannten Genre-Helden auf „John Doe/Final Alarm“ gar nicht so eindeutig ausmachen, vielmehr möchte man Kong als Assoziation heranziehen, die seinerzeit ebenfalls instrumental und progressiv Dance und Metal verknüpften, nur dass The Shadow’s Gone Out bei allem noch etwas aggressiver zu Werke gehen und insbesondere auf den neueren Tracks mehr moshen. Ebenso erstaunlich, dass manche Passagen an Synthiepop erinnern wollen und andere eher eindeutig groovender Metal sind. Da schillern die Front Line Assembly der Neunziger etwas durch, deren Dunkelheit The Shadow’s Gone Out ebenfalls tragen. Schöne Mischung, Aggressivität und Depression. Für Plakativität bleibt da kein Raum, gottlob.

Interessanterweise besteht die Band aus nur zwei Leuten: Schlagzeuger Julien Nourtier und Bassist Anthony Enault; für Samples und Elektronik sorgen sie beide. Ein künstlerisches Vorleben ist für Enault nicht zuzuordnen; Nortier erscheint unter Aliassen wie Kriggah oder Vlad im Techno-Bereich. Zusammen machen sie diese Form von Industrial-Metal, die 30 Jahre nach dessen Hochzeit noch zu überzeugen weiß – erstaunlich!