Von Matthias Bosenick (01.07.2024)
Dieser „Rest“ ist als „Ruhepause“ gemeint, nicht als „Übrigbleibsel“: Mit einer als solcher gar nicht mehr erkennbaren Fender Rhodes experimentieren die Experimentatoren Bernhard Wöstheinrich, bildender und musizierender Künstler aus Herzebrock, und der in Dänemark geborene Erik Emil Eskildsen herum, jagen die Sounds durch unendlich verkettete Effektgeräte und generieren ein zum expliziten Chill-Out aufforderndes Album aus, nun, experimentellen Sounds, ohne Melodien und wiederkehrende Strukturen, also Berliner Schule in noch minimalistischer und langsamer. Hier kommt man automatisch ins Meditieren, und so soll das auch sein. Anderthalb Stunden Zeit lassen die beiden den Hörenden dafür.
Ambient. Mit diesem Wort ist schon viel gesagt. Und wie in jedem Genre reicht es als Kategorisierung doch nicht aus, wenn die Musizierenden die Grenzen sprengen, so wie auf „Rest“, wenngleich der Vorgang des Sprengens eine andere akustische Erwartung schürt, als sie das Album erfüllt. Hier sprengt nichts, allenfalls eben Rahmen. Wöstheinrich sitzt an der Fender Rhodes und Eskildsen an den Effektgeräten; der erste drückt auf Tasten, der zweite dreht an Reglern. Was dabei herauskommt, lässt an Fender Rhodes so gar nicht mehr denken. Ach ja, noch ein Wort, das viel sagt: Drone.
Die Töne sind hell, das Duo generiert keinen Dunkel-und-Düster-Ambient. Wöstheinrich spielt die hohen Töne als fließende Folge und setzt ihnen etwas tiefer gespielte Kontrapunkte entgegen. Die hohen gestreckten Sounds erinnern mal an Streicher, mal an Kraftwerk, mal an Tangerine Dream, die leicht tieferen möchte das noch nicht ganz ausgeschaltete Gehirn in Synthiepop-Strukturen einpassen, aber dagegen sperren sie sich, weil sie eben keine Melodien und erstrecht keine Rhythmen in sich tragen. Man kann ja nicht einmal, auch nicht wohlwollend, von Geklimper sprechen, weil sich die Konturen dafür nicht flott genug verändern.
Für den verhältnismäßig gleichbleibenden Sound sorgt Eskildsen, der sich indes den Spaß erlaubt, seinen Effektgeräten auch mal ein Knarzen zu entlocken, etwa irgendwann in „For The Sake Of Something“ oder „Map Of Places Passed“, oder die Fender Rhodes wie eine verzerrte E-Gitarre klingen zu lassen, so in „Variegation“. Ihm ist indes mitnichten daran gelegen, den Hörfluss zu unterbrechen und die Hörenden aus ihrer Ruhe zu reißen, denn selbst die latent harschen Sounds fügen sich in die Ambient-Entspannung ein.
In der Info beschreibt Wöstheinrich die Intentionen hinter „Rest“, es gibt mehrere. Einmal die empfohlene Ruhe in Zeiten von verordneter, aber kaum durchgehaltener Entschleunigung, für die „Rest“ ein Soundtrack sein darf, und dann die Geschichte hinter dem Instrument, das Erfinder Harold Rhodes als Therapie für aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrte und traumatisierte Soldaten einsetzte, die damit zur Ruhe kommen sollten. So ist „Rest“ also beinahe eine Anweisung zum Herunterkommen, in jedem Falle ein schier ewiger Soundtrack für kräftezehrende Lebensumstände. Und Kunst.