Von Matthias Bosenick (03.06.2024)
Schade, dass es Monno nicht mehr gibt, aber gut zu wissen, dass die Einzelteile noch aktiv sind: Der von Berlin aus arbeitende Schweizer Gilles Aubry beispielsweise legt sich mit Yrlng (oder auch YRLNG) ein neues Alias zu, unter dem er den Soundtrack zu seiner düsteren experimentellen Dokumentation über Algen und Meeresverschmutzung vor Marokko erstellte. Anders als Monno ist Yrlng im elektronischen Fach anzusiedeln, der Lärmfaktor wiederum bleibt erhalten: Rhythm And Noise, Industrial, Ambient-Soundscapes, Experimente und Improvisationen bestimmen „Rbia Harsha Cinta“. Das Album fällt dabei streckenweise milder aus, als es die Beschreibung vermuten lässt; sperrig ist es dennoch, und so ist es auch gut.
Der Opener „Assaab“ ist noch rhythmisch, mit einer sich wiederholenden Melodieschleife und gesampelter Stimme kann man beinahe von einer Art Song sprechen. Schon von „Rtaiba“ lässt sich das gar nicht sagen: Ein in seiner Tonhöhe marginal schwankender Sound dröhnt freundlich vor sich hin, von Rhythmus oder Melodie keine Spur, lediglich die Stimme bleibt erhalten. Mit seinen hypernervösen Feuermelder-Sounds zerrt „Cinta“ dann schon etwas an den Nerven, aber wir sind ja nicht zum Spaß hier. Dabei reduziert „Pain Is My Body“ den Schmerz schon wieder, das Stück ist eher ein zittriges Lebenszeichen mit Brummen, eingeschüchterten Sprachsamples und leichter Migräne als wirklich peinvoll.
Das ändert sich sofort mit „Rbia“ wieder: Das Stück klingt wie ein durchgedrehter Pinball in einem Faradayschen Käfig, der zu morsen versucht, während ihm Geister die Gebrauchsanleitung dazu aus dem Schwedenborg-Raum zuflüstern, in dem ein Organist apathisch auf sein Instrument einwirkt. „I’ll Be The Rest“ ist eine Heimsuchung vor durchgedrehter Sirene. „Fuilia“ dreht das Mittelwelle-Radio kreischend über den empfangbaren Bereich hinaus und simuliert dazu Einwählgeräusche eines 56k-Modems und Vitalitätsmesstöne aus der Intensivstation. Mit einiger Freude kann man hier wieder einen Rhythmus heraushören. Das finale „Harsha“ ist ein Industrial-Track mit chillig-trippigem Tempo und abermals schrillen Soundcsapes.
Man kann sehr gut hören, wie auf „Rbia Harsha Cinta“ die Umwelt zerstört wird – und wie sie sich zur Wehr setzt. Mit dieser Musik ergänzt Dr. Aubry seinen eigenen Film zum Thema, „Atlantic Ragagar“ aus dem Jahr 2022, dem er auch die Sprachsamples entnahm, eingesprochen von Imane Zoubai. Das Album führte der Multikünstler zuvor bereits als Live-Improvisations-Show auf, dann auch mal als „R’bia Sinta Harsha“ oder anderen Abwandlungen; Staalplaat in Amsterdam war ein wie die Faust aufs Auge passender Spielort. Seine Aktivitäten unter seinem Klarnamen sowie als Anti Taupe oder in Bands wie The Same Girl oder eben Monno sind kaum sammelbar. Ganz zu schweigen von seinen weiteren Projekten in Wissenschaft und Kunst!