Von Matthias Bosenick (28.05.2024)
Von Verona aus auf die Veranda: Cristiano Mecchi und Davide Corlevich spielen Lieder von Ferne und Reise, von Landschaft und Kontemplation. Der eine singt rauh, der andere spielt filigran auf seiner Akustikgitarre, es klingt, als hätten Mark Lanegan und Nick Drake ein Stelldichein. Die Songs auf „Rain Or Shine“, dem gemeinsamen Debüt-Album, sind einerseits introvertiert und andererseits auch zu Ausbrüchen in der Lage. Wie nennt man das, Alt-Indie-Folk? Egal, der Mond scheint, die Grillen zirpen, das Feuer knistert und man möchte mit den beiden noch unendlich viel Zeit vor der Holzhütte irgendwo in der Wüste verbringen.
Die Reise, die das Duo hier laut Info besingt, liegt, so nimmt man es zumindest zuhörend wahr, bereits hinter ihnen, man lauscht also den Eindrücken, die die beiden dabei gewannen. Die Musizierenden und die Hörenden bewegen sich nicht, die Lieder übernehmen es, von der Bewegung zu berichten. Dies erfolgt auf eine sehr filigrane Weise, Mecchi alias Mac spielt seine Akustikgitarre mit enormer Fingerfertigkeit, er schrubbt nicht einfach plump Akkorde wie ein hergelaufener Singer-Songwriter. Was er da macht, ist kunstvoll und zart, man möchte ihm ewig lauschen, er zaubert warme Bilder, und das nicht allein, auch Corlevitch bedient seine Gitarre, obwohl sein Schwerpunkt auf dem Gesang liegt. Der erinnert in den ruhigen Momenten sehr stark an Mark Lanegan, rauh und wie kaputtgelebt, also voller Erfahrung und Geschichten, und die bekommen wir zu hören. Bricht er indes aus und erhebt seine Stimme, geschieht dies in höheren Lagen und klarer, voller Inbrunst und Impulsivität, ein starker Kontrast zur fragilen Musik.
So fragil ist die indes nicht immer. In der Info sind noch Bass, Keyboards und Schlagzeug aufgeführt, doch muss man warten, bis insbesondere letzteres wirklich zum Einsatz kommt. In „A Place Called Home“, dem zweiten Song, bekommt man zumindest schon mal Percussion zu hören, nach der Hälfte der Ballade „The Slowest Candle“, also erst Track 5, klingt Mac/Corlevitch wie eine ausformulierte Band. Nur noch zweimal, im neunten und im letzten Song, „A New Tomorrow“ und „Adore The Sun“, gibt’s überhaupt Schlagzeug. Und nicht mal durchgehend Gesang: „The Porch Song“, ausgerechnet das Stück mit dem Titel, der die Stimmung am besten abbildet, ist ein Instrumental. Dafür gibt’s an anderer Stelle Chorgesang und im dritten Song „Farewell Kisses“ sogar ein Pfeifen, das nicht nervt.
Musikalisch lässt sich Italien am wenigsten heraushören, am ehesten wähnt man sich irgendwo in der Leere der westlichen USA, in staubigen Wüsten, unter sternenklarem Himmel, zwischen Coyoten und Roadrunnern, mit Tumbleweed als einzigem zu überwindendem Hindernis. Das Duo spielt Country und Western, also Alt-Country, also Americana. Nichts Neues, klar, nur passt hier alles, die ganze Stimmung ist homogen, auch in der wechselnden Intensität, und „Rain Or Shine“ vermeidet den Kitsch, es ist kein Pop-Album, und gerade darin liegt seine Schönheit.