Von Guido Dörheide (24.03.2024)
Soloalben von Thurston Moore fand ich immer eher Singer/Songwriter-lastig und weicher und melodischer als alles von Sonic Youth, Kim Gordon geht 2019 auf „No Home Record“ und jetzt auf „The Collective“ einen anderen Weg: Was Moores Ex-Frau auf ihren Soloalben macht, finde ich wesentlich spannender, weil es eher rhythmusbetont, schräg, noisig und unmelodiös ist und DENNOCH seinen Weg ins Ohr findet. Das liegt zum einen an Gordons Stimme und ihrer Art zu singen. Wer noch niemals Kim Gordon singen gehört hat, greife jetzt bitte zu Sonic Youths 1990er Großtat „Goo“: Klar hat Thurston Moore erstmal die Stiefel an, die Nase vorn und überhaupt den Längsten mit „Dirty Boots“, aber die wahren Schätze des Albums sind „Tunic“ (ein komplett berührender und alle Emotionen umrührender Song über Karen Carpenter und ihr tragisches Ende) und „Kool Thing“, dem grandiosen Duett mit Public Enemys Chuck D.
Warum schreibe ich jetzt über ein 34 Jahre altes Album einer Band, die seit 13 Jahren nicht mehr existiert? Weil a) diese Band meine Jugend und mein junges Erwachsenenalter geprägt hat wie kaum eine zweite b) ich ohne Kim Gordon und ihre unverwechselbare Stimme niemals auf Sonic Youth aufmerksam geworden wäre und c) Kim Gordon sich ohne Scheiß immer noch anhört wie damals! Und dabei wird sie Ende April 71 Jahre alt.
Also, was macht Kim Gordon auf „The Collective“, macht sie irgendwas anders als auf „No Home Record“, was macht das Album mit den Hörenden?
Zu allererst macht Ersteres die Letzteren sich gut fühlen. Es gibt Krach, es gibt Noise, es gibt nicht viel Melodie, das alles aber irgendwie angenehmer und genießbarer als auf „No Home Record.“
Das erste Stück, „BYE BYE“, beginnt mit düster pluckernder Elektronik, dann setzt Gordons Sprechgesang mit dieser Stimme von vor über 30 Jahren ein, dann rummst und quietscht es, aber alles klingt irgendwie zurückgenommen und so, als würde das dicke Ende noch kommen. Auf „The Candy House“ bleibt es bei den elektronischen Beats, zu denen sich auch höhere Töne gesellen, aber melodiöser wird es immer noch nicht. „I Don’t Miss My Mind“ ist dann reines Rhythmus-Gestampfe, Tom Waits auf „Bone Machine“ kommt mir in den Sinn, wir bleiben also in den frühen 1990ern verhaftet, nur hier elektronischer als auf Waits’ bestem Album. Auf „I’m A Man“ zieht Gordon dann die akustischen Daumenschrauben nochmal um einer Vierteldrehung fester: Sehr basslastig und mit irgendwie genervt klingendem Gesang bohrt sich der Song seinen Weg in den Gehörgang des Auditoriums. Wenn wir jetzt hier der Meinung sind, den Geist von „The Collective“ durchdrungen zu haben, dann liegen wir richtig. Es geht immer so weiter, und durch das, wie ich glaube, Mehr an Elektronik im Vergleich zu „No Home Record“ und durch den durchgehend warmen, basslastigen Sound ist das Album hör- und genießbarer als der Vorgänger. Obwohl jegliche Melodie fehlt und es keine irgendwelchen Gitarrenriffs oder sonstwas gibt. Erstaunlich.