Von Matthias Bosenick (20.02.2024)
Zum vierten Mal entrümpelt Dez Dare seine Garage, oder besser: Er sortiert sie um, räumt die sperrigen Staubfänger auf links und sieht zu, dass es dabei nicht allzu sauber zugeht. Nach wie vor ist das Fuzz-Pedal sein liebster Gehilfe, dieses Mal schiebt er aber noch einige beim Nachbarn geklaute Gerätschaften dazu, zum Beispiel einen Synthesizer. Sein „A Billion Goats. A Billion Sparks. Fin.“ rückt wieder etwas ab vom dominanten Stoner des Vorgängers, der alte Punk-Haudegen billigt jedem der elf Songs einen eigenen Charakter zu. Hauptsache, irgendwas mit Garage!
Interessanterweise ist die Musik von Dez Dare auf diesem Album gleichzeitig retro und futuristisch: Einerseits klar ausgerichtet am fuzzy Garage Rock der Sechziger, andererseits mit den Sci-Fi-Sounds eines Synthies angereichert. Sein Songwriting lässt eine eindeutige Zuordnung ohnehin nicht zu: Dafür ist Dare zu Punkrock, zu eigensinnig, zu experimentell, um ein Klon der Sechziger zu sein oder ein billiger Epigone aus der Jetztzeit. Sein Schlagzeug etwa ist elektronisch und streckenweise entsprechend monoton, das erinnert eher an Bands wie Red Lorry Yellow Lorry als an reinen Garage Rock. Deren Sorte Gothic wiederum ist Dares Ding nicht, auch wenn er definitiv keine gute Laune hat, aber diese ungute Laune teilt er sich seit jeher lieber mit Mark E. Smith. Auch dessen Art zu singen: unmelodiös gebellt, nur nicht so genölt. Inhaltlich macht er wie mit seiner Musik: Er vermittelt ernsthafte Inhalte mit rhetorischen Methoden. Auf dem Album behandelt er etwa „die Themen der Zeit“, lässt er wissen, und zwar „Doom scrolling, capitalist demagogues, a passionate dislike of the beach in summer“.
Der Mann weiß, wie man einen funktionalen Lärm generiert: Er lässt Lücken, begleitet Drums von monoton pluckerndem Bass und lässt die Gitarren nur dezidiert Akkorde hineinbratzen. Seine Musik baut nicht auf Flächen, seine Wirkung erzielt er mit Rhythmen. Und mit Effekten, seinen Synthie baut er mal quäkend-melodisch, mal punktuell-effektiv und mal als lustiges Gimmick ein, nie dominant, immer als wahrnehmbares Beiwerk, das den Bratzsound begleitet. Bisweilen gönnt er sich sogar Gitarrensoli, und denen gibt man sich gern hin. Oder er lässt seine groovenden Loops einfach mal die Acht-Minuten-Marke überschreiten, ohne dass es unangenehm auffällt; das geht eben mit packenden Songs. Der fiepende Lärmbrocken am Schluss fällt dabei auch nur positiv auf.
All das macht der Mann auch noch komplett allein. Dez Dare heißt eigentlich Darren John Smallmann, kommt aus Geelong bei Melbourne in Australien, lebt seit kurz vor der Pandemie in London und verbreitet seine Musik auch erst seitdem unter diesem Alias. Projekte hatte er davon schon unzählige, aktiv ist er seit Ende der Achtziger. Als Dez Dare haut er Alben nun im Jahrestakt raus, und kein Wunder, die Welt gibt Anlass genug, angepisst zu sein, und wenn ihn die Scheiße zu solch mitreißenden Songs inspiriert, ist sie ja wenigstens für etwas gut.