Von Matthias Bosenick (14.02.2024)
Auch ohne Serbisch zu verstehen, begreift man nach dem hörspielartigen Intro, dass Kolac keine besonders positive Stimmung haben. Die Belgrader ordnen sich selbst musikalisch dem Black Metal zu, und wenn man das dritte Album „Kolac“ mit dieser Info hört, ahnt man, dass das Quartett keinen Bock auf Modernisierungen hat – das hier ist sowas von oldschool, nur mit dem Unterschied, dass es lupenrein produziert ist und der Sänger nicht in den obersten Tonlagen keift, sondern eher kotzt. Heißt: permanent auf die Fresse, keine Post-Atmosphären, keine technischen Spielereien, maximal einige Gitarrensoli und Melodien, wunderbar schlechte Laune, und die Band drückt irrsinnig schnell nach vorn. Ein Album, das Spaß macht.
Für die, die nicht im Genre zu Hause sind, ist dies nur kaltes Gebolze, und für die, die es sind, ebenfalls, nur wollen die das auch so. So richtig mag man den Begriff Black Metal gar nicht anwenden, das ist eher Death oder irgendwas mit –core, also dem Punk näher als den Blast Beats, und mit den Soli und den melodischen Passagen darin auch nicht ganz so weit weg von klassischem Heavy Metal. Der Punkgalopp nimmt zwar den Hauptanteil der Rhythmen ein, aber nicht den alleinigen: Für den Groove sind Kolac nicht unempfänglich, manche Passagen tragen gar die Mithüpf-Aufforderung des Thrash Metal in sich. Diverse sehr unterschiedliche Breaks halten die Aufmerksamkeit bei der Stange, auch wenn das Gesamtbild oberflächlich eine gleichförmige Homogenität suggeriert – sie ist nicht gegeben.
Man begreift das gruselige Intro noch besser, wenn man weiß, dass „Kolac“ auf Serbisch „Pfahl“ bedeutet – nicht zu verwechseln mit dem tschechischen Wort koláč für Kuchen – und die Band auf diesem selbstbetitelten Album Foltermethoden vom Mittelalter bis heute thematisiert. Die Qual, deren Zeuge man da wird, ist auch ohne Sprachkenntnisse und ohne eigenes Erleben nachfühlbar. Die Musik hingegen ist keine Folter. Es überrascht, dass die Band auf alle Modernismen verzichtet, ihr Album aber so unfassbar transparent produziert. Damit wird umso deutlicher, wie gut die vier Musiker ihre Instrumente beherrschen und dass sie die ganzen Breaks und Wechsel wahrhaftig unfallfrei hinbekommen.
„Kolac“ ist das dritte Album für die Serben, nach dem bereits zehn Jahre alten „Zauvek crni“ und dem 2011er Debüt „Bastard Son Is Dead“. Was nicht heißt, dass die Band zwischenzeitig tatenlos war: Eine Vielzahl an Demos, Splits, Compilations und Live-Veröffentlichungen ergibt unüberblickbar viel nachzuhörendes Material. Zur Band heute gehören nur noch zwei Gründungsmitglieder: Gitarrist und Sänger Zlorog (Nemanja Krneta) sowie Bassist Grob (Miloš Šebalj), der den Thrash Metal von seiner Ex-Band Redenik mitbringt, sind seit 2006 dabei. Gitarrist Omadan IX (Damir Mirojević, nebenbei bei Potop und Qoph IX) stieg 2013 ein, Schlagzeuger Sirivs (Stefan Nedeljković/Стефан Недељковић, außerdem bei Orest sowie Ex-Zloslut) erst 2018. Die sechs, sieben Ex-Mitglieder könnten auch schon wieder zwei eigene Bands aufmachen – haben sie ohnehin: Wenn man sich da durch die Links klickt, bekommt man ein breites Netz der serbischen Metal-Szene ausgebreitet. „Kolac“ wäre ein wunderbarer Einstieg dafür.