Von Guido Dörheide (17.01.2024)
Ich mag Songs mit einer klaren, einfachen Aussage. Und so begrüße ich „The Ground“, das von Klavier, Synth und einer ruhig vor sich hin solierenden Gitarre instrumentiert vorsichtig die Nase aus den Lautsprecherboxen zu strecken scheint, um erstmal auszuklamüsern, ob das noch junge Jahr 2024 schon bereits für den Rest des 5. Albums der englischen Indie-Folk-Pop-Künstlerin Marika Hackman ist. „Gold is on the Gound, I was happy for a while“ ist der einzige Text von „The Ground“, zweieinhalb Minuten immer wieder wiederholt. Gegen Ende schleicht sich noch ein wenig Krach in das Stück, und es scheint zu befinden, dass es jetzt an der Zeit ist, auch noch ein paar Stücke mit Rhythmus in den Raum zu lassen.
Nämlich das hervorragende „No Caffeine“, auf dem – erstmal nur von einem synthetischen Klavier begleitet – Marika Hackmans Gesang die Hörenden gefangen nimmt. Dann setzt ein monotoner elektronischer und tanzbarer Beat ein, während Hackman einfach so weiter singt wie am Anfang. Der Song entfaltet für mich eine hypnotische Wirkung und der Text tut sein übriges dazu: Hackman ruft dazu auf, nicht zuhause zu bleiben, Freunde zu treffen, nicht aufs Telefon zu schauen, Kräutertee zu kochen, auf die Atmung zu achten und Sex zu haben. Das die erste Strophe beschließende „Stay away from love, maybe take your clothes off“ erzeugt dann aber zusammen mit dem Refrain und der folgenden Strophe den Eindruck, dass hier jemand nicht besonders im Reinen mit sich und seinen Gefühlen ist. Hackman selbst sagt dazu, dass das Stück eine Liste von Dingen, die man tun soll, um eine Panikattacke zu vermeiden und den Blick auf die eigene Angst als einen missbräuchlichen Partner beschreibt. Und genau so kommt es auch rüber. Mit dem Titelstück „Big Sigh“ folgt dann ein hymnisches Stück Popmusik, und ein trauriges dazu. Der Text beschreibt ein Gefühl der Unsicherheit und inneren Zerrissenheit. Es folgen das ruhige „Blood“ und das ebenfalls ruhig beginnende „Hanging“, das am Ende lautstärkemäßig sehr aufdreht, ohne an Geschwindigkeit zuzulegen. „The Lonely House“ ist ein melancholisches Klavierinstrumental, „Vitamins“ ist schön, fällt aber bei aller Ruhigkeit kaum auf, und dann folgt mit „Slime“ ein weiteres Highlight des Albums: Ruhig beginnend, nimmt es mit einer tollen Melodie Fahrt und Lautstärke auf und erzählt von Leidenschaft, wobei meines Erachtens offen bleibt, ob die Erzählerin der Geschichte ein positives Ende zutraut. Vielleicht geht es bei „the brain in my legs“ und „your garden of slime“ aber auch einfach um etwas Zweisamkeit im Hier und Jetzt ohne weitere Gedanken an später. Deshalb höre ich jetzt auch mal auf, beim melancholischen und von synthetischen Streichern usw. dominierten „Please Don’t Be So Kind“ und der abschließenden Akustikgitarrenballade „The Yellow Mile“ noch irgendwie auf die Texte zu achten oder etwas in sie hineinzuinterpretieren, sondern erfreue mich an der schönen Stimme und er tollen Melodien und motze dann noch ein wenig vor mich hin, dass dieses hervorragende Album nach gut 35 Minuten schon wieder zuende ist.