Von Matthias Bosenick (15.01.2024)
Beim Titel „The Belgian Wave“ denkt man als EBM-, Industrial-, New-Beat- und Electro-Hörer natürlich sofort an den nämlichen Sound der Achtziger und Neunziger, als aus dem genannten Land haufenweise Musizierende ihre hochspannenden Experimente verbreiteten. In diesem Falle dreht es sich allerdings um eine andere Belgische Welle, nämlich jene gehäufter UFO-Sichtungen, die zufällig in den obigen Zeitraum fielen. Wenn jetzt also mit Yannick Franck ein Musiker aus Belgien, der – unter anderem als MT Gemini – in jenen Genres aktiv ist, den Soundtrack zu einem trippigen UFO-Film mit dem Titel „The Belgian Wave“ erstellt, darf man davon ausgehen, dass er auch die musikalische Welle berücksichtigt. So ist es auch, sein Soundtrack bedient die Fans der alten Genres, aber auf heutigem technischen und künstlerischem Niveau, und bettet sie in einen dunklen extraterrestrischen Ambient-Score ein.
Diesen Score kann man genießen, ohne den Film dazu zu kennen, da er auch ohne die Kenntnis darum, dass es sich überhaupt um einen Soundtrack handelt, musikalisch funktioniert. Einerseits gibt es körperbetonten EBM wie in „En Route“ oder in „Future Unsolved“, das man wohl genau deshalb abschließend abermals als „Instrumental“ zu hören bekommt, andererseits auch Industrial-Sounds wie im Opener „The Belgian Wave – Title Sequence“ und rhythmische Soundscapes wie in „Compound“ sowie alles umfließend berauschenden Dark Ambient wie in „Hazy Light“. Muss, ja, weil Atmo für den Film, aber es gibt ganze Platten voll mit Mucke dieser Art, die dies auch ohne Film anbieten, und ebenso gut funktioniert auch „The Belgian Wave“. Das macht er gut, der Franck, und bedient zudem nicht einfach die EBM- und Industrial-Fans mit typischen analog-elektronischen Retro-Sounds; vielmehr zitiert er Charakteristika der bekannten Genres und erstellt aus ihnen etwas Eigenes, das sich ideal in diesen dunklen Soundtrack fügt. Bis hin zu – nun: „Corine’s Doomsday“ klingt wie elektronisch erstellter Black Metal.
An Aliens indes denkt man gar nicht so oft, wenn man „The Belgian Wave“ hört. Was erwartet man denn überhaupt, Pew-Pew-Sounds, Laserbeams, UFO-Startgeräusche, Computereffekte? Bekommt man alles nicht, und das ist richtig so, nur in „Quasar’s Lair“ pewt es mal kurz. Franck ist nicht plakativ, in keiner Hinsicht ist er das, denn seine Electro-Mucke würde dem gewöhnlichen EBM-Hörer vermutlich gar nicht gefallen, weil sie nicht gefällig genug ist. Da muss man sich schon drauf einlassen. Auch auf Francks andere Projekte, von denen der Brüsseler unzählige betreibt, wie MT Gemini, Outlaw Compound, Orphan Swords, Y.E.R.M.O., Idiosyncrasia oder Figure Section.
Der Film dazu muss eine Art „Fear And Loathing In Petit-Rechain“ sein, ein kunterbunter Neontrip mit durchgeknallten Protagonisten und Geschehnissen, der als Mockumentary beginnt, mit Found Footage und echten TV-Ausschnitten. Regisseur Jérôme Vandewattyne erdenkt die Geschichte um den Journalisten Marc Vaerenbergh, der auf dem Höhepunkt der Belgischen UFO-Welle, die sich tatsächlich zwischen 1989 und 1991 ereignete und die rückblickend als psychologisches Massenphänomen ausgelegt wird, bei der Recherche mitsamt Kameramann verschwand. 30 Jahre später entdecken die Vloggerin Karen und der Designer Elzo – offenbar an den real existenten Grafiker Elzo Durt angelehnt –, der Patensohn des Verschwundenen, sein Tagebuch und begeben sich auf die Suche nach ihm, die drogeninduziert im Ecuadorianischen Dschungel und beim Genuss bewusstseinserweiternder Natursubstanzen endet. So, wie sich das alles liest, will man den Film unbedingt gucken. Der Soundtrack dazu ist zumindest schon mal ein Genuss.