Von Guido Dörheide und Matthias Bosenick (13.01.2024)
Klar, „EP“ steht für „Extended Play“, und extended ist alles über sagen wir mal drei Minuten. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Und so nimmt es nicht wunder, dass das Debüt der braunschweigischen Progrockband Echofield als EP betitelt wird und sagenhafte 44 Minuten Spielzeit aufweist. „Das trifft auf die ‚The Power Of Lard‘-EP genauso zu“, raunt mir mein innerer Matthias Bosenick ins Ohr, und ich will kontern mit „Jahaa! Aber nicht mit nur vier Stücken!“, und dann fällt mir ein, dass Lard seinerzeit nur drei Stücke gebraucht hatten. „Jahaahaaaaa!!! Aber bei Echofield ist der letzte Song nicht 32 Minuten lang!“, brülle ich meinem inneren Matthias Bosenick hinterher, aber der sitzt schon längst wieder in seinem Auto und rast gen Riddagshausen.
So brutal wie Lard sind Echofield außerdem nicht. Nicht mal im Ansatz. Der Progrock, den das Trio hier präsentiert, ist stellenweise watteweich wie „Dark Side Of The Moon“ oder „The Wall“, die Gitarre ist so klar wie die von den Marillion mit Fish (die danach hört doch niemand) und daher vermutlich auch wie bei Genesis mit Peter Gabriel (die hört der äußere Matthias Bosenick nicht – eine Lücke in der Sammlung, ja); es ist somit eher Artrock als Progrock, bestenfalls Neoprog.
Progressiv sind Echofield nämlich eher auf Strecke, nicht auf Verschachtelung: Sie tragen ihre Ideen in die Länge, nicht in die Komplexität. Sie lassen die Songs wirken, sich aufbauen, sich entwickeln, sie haben keinen Stress dabei, ihre musikalischen Ideen unterzubringen, sondern bringen sie in einen Fluss, der so traumwandlerisch mäandert, dass man die Länge der Songs – zwischen neuneinhalb und fast 13 Minuten – nicht anmerkt. Dabei vermeiden sie das übliche Proggewichse, das eher Leistungsschau ist als zweckdienlich für die Ausgestaltung der Songs. Das Logo der Band zeigt drei gekrümmte Balken in rot-blau-grün, also wie beim TV – womöglich ist diese EP so aufzufassen, wie das Fernsehen ein Echo der Realität ist.
Still und leise gleiten Echofield per Keyboard in „TMC“, den Opener der EP. Ein dunkles, elektronisch verfremdetes Sprachsample generiert dazu eine beklemmende Stimmung. Das passt zu den Inhalten, Echofield singen davon, wie der Mensch die Erde zugrunde richtet, doch bekommt die Musik dazu eine andere Note: melancholisch zwar, doch freier, quecksilbriger, klarer, transparenter. Zum Schluss bekommt die Intensität eine Druckerhöhung, die Gitarre soliert, alles wird kraftvoller. Dabei bleibt das Schlagzeug, obschon es hörbar agil zur Sache geht, auf der EP eher im Hintergrund,
„Epic“, auf der EP mit 10:30 Minuten Spielzeit gut eine Minute kürzer als das Demo auf Soundcloud, beginnt mit Gitarrenharmonien und –effekten wie U2 1984, „The Unforgettable Fire“. Mitten im Song holt die Band einige Male das Stück aus der wohligweichen Watte heraus, wird ungestüm, begehrt auf, aber nur kurz, dann setzt sie den eingeschlagenen Weg jeweils wieder fort. Erst zum Schluss steigert sie einmalig das Tempo und rockt, um dann abermals in die Watte aus Keyboard und Gitarre zu sinken.
„Orient Express“ ist ein schöner instrumentaler Achtziger-Radio-Poprock, gefühlvoll, ein Bisschen Frumpy, Europa-Hörspielmusik von Carsten Bohn, nach der Hälfte Sprachsamples und Gitarrensolo, ein My mehr Wucht, die Stimmung kippt für einen winzigen Moment etwas ins Unwohlsein, doch der Song holt das Angenehme schnell wieder zurück und bleibt auch dabei.
Zum Anfang von „The Waiting List Of Evermore“ will man noch „Riders On The Storm“ von The Doors zu singen ansetzen, dann setzen traurige Military Drums ein, bevor das Stück nach einiger Zeit als – nach Ewigkeiten erstmals wieder auch gesungener – Song im reduzierten Tempo startet. Die klare Marillion-Gitarre bleibt erhalten. Zur Hälfte häutet sich die Band, das Stück wird schneller, rauher, rockiger als alles, was man zuvor zu hören bekam, beinahe Punkrock. Ein synthetischer Chor setzt ein für noch mehr Atmosphäre, dann schalten Echofield wieder zurück in den Song, wie er vorher war, nur um zum Abschluss etwas Polyrhythmik und komplexe Riffs abzufeuern; man meint zuletzt, einen Gary Moore aus der Zeit um „Still Got The Blues“ an der Gitarre solieren zu hören.
Echofield machen zu dritt die Arbeit von vier Leuten, weil einer zusätzlich zum klassischen Gitarre-Bass-Schlagzeug-Format noch das Keyboard bedient. Das ist Bandchef Christian „Chris“ Schweyda, der unter anderem auch von Bands wie Maxx Reebo, Alien Power (mit Wumme alias Wolfgang Schönberg), Carbid! (mit Kui von Salem’s Law) und Colorful (mit Schepper) bekannt ist. Am Schlagzeug sitzt Boris Borreck, vormals bei Porterra sowie in Bremen bei Boys’n’Witches. Schwer zu googeln indes ist Bassist Michael „Fritz“ Schmidt – sicher ist, dass er nicht von den Fantastischen Vier ist. Möglicherweise wächst das Trio dereinst zum Quartett an: Es ist in diesem Internet zu lesen, dass die Band einen zusätzlichen Keyboarder sucht.
Laut Info ergab sich die Bandgründung aus einem Soloprojekt des Multiinstrumentalisten Schweyda, der 2017 für die Live-Umsetzung seines Solo-Albums „Insight“ Mitmusiker suchte, sie in Borreck und Schmidt fand und mit ihnen kurzerhand nicht nur Echofield gründete, sondern auch gleich neue Songs entwickelte. Die etwas classic-rockigeren Demo-Stücke „Just Like You“, „What Can I Know“ und „Money“, die die Band im Oktober 2017 auf Soundcloud veröffentlichte, sind auf der EP nicht enthalten.
Das Album gibt’s bei der Band sowie beim Mailorder justforkicks.de als CD sowie fast überall im Stream.