Von Matthias Bosenick (07.12.2023)
Retro ist heute nicht mehr nur an den Sechzigern und Siebzigern ausgerichtet, inzwischen sind ja auch die Neunziger lang her, und es ist irgendwie retro, wenn man als junge Band klingt wie die vor 30 Jahren. Die Darwells aus Südfrankreich machen auf ihrer zweiten EP „Life“ Power-Indierock mit Riff-Verschachtelungen, Mitgrölchören im Refrain und einer Powerballade am Schluss. Das machen sie gut, handwerklich wie kompositorisch – kennt man nur aber schon, wenn man die Neunziger bewusst miterlebte.
Diese Art Power, die die Darwells hier loslassen, mit ihren eingebauten Brüchen, den druckvollen Gitarren und dem energetischen Gesang, weckt sofort Erinnerungen an alternative Rocker wie Dizzy Mizz Lizzy aus Dänemark, die poppigere Version von Shihad aus Neuseeland oder die Foo Fighters, bei denen ja Druck stets vor Song geht. Dabei punkten die Darwells hier mit ihren Kompositionen, die nicht einfach nur aus Strophe-Refrain-Strophe bestehen, sondern haufenweise kleine Unerwartbarkeiten mitbringen. Mit ihrer klaren Spielweise unterscheiden sie sich auch vom massentauglichsten Indierock-Phänomen der Neunziger: Nach Grunge klingen die Darwells nämlich nicht. Etwas an die Substanz geht die Stimme des Sängers, sobald er sie in höhere Tonlagen schiebt, aber wenn er sie dann schreiend anrauht, gefällt sie wieder.
Älteres Retro gab es von den Darwells auf deren Debüt-Doppel-EP „Drive Me Home/Not Crazy“ aus dem Corona-Jahr 2020, als auch Classic-Rock-Riffs, Glamrock-Rhythmen und Hippie-Harmonien noch Einfluss in die Songs fanden. Warum die 2019 in Avignon gegründete und später nach Lyon umgesiedelte Band drei Jahre brauchte, um nur vier neue Songs zu erstellen, verrät sie nicht. Physisch sind die beiden EPs bislang nicht zu haben.