Von Matthias Bosenick (02.11.2023)
Punk mit Trompeten ist nicht automatisch Ska, auch wenn der Gedanke naheliegt: Die Ugly Hurons betreiben diesen Soundmix, und beim Hören des neuen Albums „Proud To Be Ugly“ fühlt man sich eher an die energetische Genrekombination vom Farin Urlaub Racing Team erinnert als an sarenwama The Busters, auch wenn sich mal ein verlegener Off-Beat in die elf Stücke mogelt. Vor 40 Jahren, als die Band aus Hermsdorf in Thüringen auch beinahe schon existierte, hätte man angesichts der ironischen Darbietung einiger Inhalte sicherlich von Funpunk gesprochen, doch sind die Gute-Laune-Beiträge hier eher Bestandteil einer Art breitgefächerter Bestandsaufnahme gegenwärtiger Themen als ein Kernanliegen. Das Septett aus der Mitte zwischen Jena und Gera ordnet sich selbst seit 1987 als Brutaloschlager ein – das kann man trotzdem gut gelten lassen.
Das Wort „schmissig“ kommt einem sofort in den Kopf, wenn man „Proud To Be Ugly“ auflegt. Kurzer Anriss auf dem Schlagzeug, dann brechen Bläser und Gitarren los und die sieben Huronen feiern druckvoll die Hässlichkeit, nicht nur dem Bandnamen nach auch die eigene. Schmissig indes gottlob nicht im artifiziellen Phil-Collins-Stil, natürlich: Hier wechseln sich Gitarren und Trompeten darin ab, das bestimmende Instrument der Songs zu sein; mal sind die Bläser die treibenden Instrumente, mal begleiten sie die Riffs. Nicht nur damit gestaltet sich das Album wechselhaft: Auch wenn man es grundsätzlich mit flott gespieltem Punk zu tun hat, bedienen die Huronen unterschiedliche Abstufungen von flott, wechseln die Tempi und damit die Energiewellen. Dabei unterschreiten sie eine gewisse Mindestgeschwindigkeit indes nicht: Balladen sind hier nicht zu befürchten, die Partytauglichkeit reißt nicht ein.
Auffällig ist, dass sich der Sound an mancher Stelle an den vom Farin Urlaub Racing Team anlehnt, und dann klingt auch der Gesang in Kombination mit der sprechdominierten Melodiegestaltung nach den alten Ärzten, insbesondere, wenn der Hintergrundgesang begleitend hinzutritt. Solche Erinnerungen wischt der Punk der Huronen dann wieder weg, die sind nämlich eigen genug. Mit diesem Gesang transportieren die Huronen aktuelle Themen, die sie ironisch aufarbeiten oder in unerwarteten Bildern vermitteln, zwischen politischen Sachverhalten wie Neoliberalismus in „Hau ab und stirb“, Verschwörungstheoretikern in „Troll, halt’s Maul!“ oder Gentrifizierung in „Meine Stadt“, aber auch allgemeiner gehaltene Aspekte des Lebens wie den eigenen Touralltag in „Lehrling“, Trinkgelage in „Konzertgespenst“ oder Fäkalromantik auf dem Bahnhofsklo in „1000 rote Rosen 2.0“. Schön für die großen Festivalbühnen eignet sich der abschließende „Anti-Mitmach-Hit“, der mit enervierenden „Hoo hoo“-Chören genau diese Art von Ex-Punk aufs Korn nimmt, die zum schlageresken Großereignis verkommt. Ja, Fun-Punk, wenn man nur den humorigen Aspekt betrachtet, aber doch zu tiefgreifend, um dort zu verharren. Daran ändert auch das Eigenetikett „Brutaloschlager“ nichts.
Nach der Aufschrift auf einem Blechschild, das sie auf einem Flohmarkt entdeckten, benannten sich die Ugly Hurons, als sie 1987 aus den Dilettantenprojekten Krauts und Nomansland als neue Band hervorgingen. Vom ursprünglichen Quartett ist heute noch Sänger Mike dabei und von der ersten Aufstockung kurz darauf Trompeter Daniel. Die Historie der Band ist aber auch jenseits von Umbesetzungen beachtlich, schließlich hatten es die Punks seinerzeit mit der DDR zu tun und entsprechend mit Auftrittsverboten und Illegalität, indem Konzerte natürlich trotzdem stattfanden, auf rückblickend abenteuerliche Weise. Nach dem Mauerfall brachen auch für die Huronen alle Dämme, nach einem Live-Tape erschien das erste Demo mit dem Titel „Fresst Petersilie gratis und tauscht 2 Fahrscheine gegen 3 Hansa Pils“ 1990 (und 30 Jahre später als Reprint). Nach weiteren Tapes kam es 1992 zur Auflösung, 1996 zu vereinzelten Gigs und 2010 zur Wiederbelebung der Ugly Hurons. Seitdem ist „Proud To Be Ugly“ auch schon wieder das dritte Album, und das erscheint ganz im Zeitgeist in unzählbar vielen verschiedenen Vinylfarben, abermals auf den Höhnie Records von Andreas Höhn, der die DDR-Punk-Samplerreihe „Sicher gibt es bessere Zeiten, doch diese war die unsere“ etablierte, auf deren ersten Ausgabe die Ugly Hurons 1991 bereits vertreten waren.
Aus jeder Rille von „Proud To Be Ugly“, also aus allen beiden, dringt der massive Eindruck von Liveparty. Davon kann man sich nahezu jederzeit überzeugen, die sieben Thüringer werden des Tourens nicht müde. Bald auch bei dir vor der Tür!