Von Matthias Bosenick (16.10.2023)
„Motion in the ocean / oooh-aaah!“ Mit den B-52’s hat das westnorwegische Projekt Ocean Of Lotion abseits der Phonetik indes nichts zu tun. Die Band aus Bergen wagt zwar auf ihrem zweiten Album „LouiLouiLoui“ einen Blick zurück in die Achtziger, aber in die synthetisch grundierten federleichten. Ein Bisschen Aneka, ein Bisschen Fancy, ein Bisschen Grauzone, ein Bisschen Queen, mit etwas E-Gitarre, ab und zu ein Saxophonsolo, zweistimmiger Gesang, instant Ohrwurmgarantie, hedonistische Gute-Laune-Brausepulver-UFOs und „Cats In Space On Synthesizers“. Noch Fragen?
Ja, zum Beispiel diese: Wer braucht das? „LouiLouiLoui“ ist eine sektselige Retroparty, die sich querbeet bei allerlei Sounds und Stilen bedient, die andere in den Achtzigern erfanden und populär machten. Zusammengefügt generieren Ocean Of Lotion jede Menge Power, die Songs sind fett produziert, analoge Instrumente fügen sich ergänzend in den Synthiesound ein, die Singenden verstärken die Melodieseligkeit, das Album ist getragen von einer stringenten Dynamik. Sicherlich, genau diese Platte gab es in den Achtzigern nicht, aber Vergleichbares wie Sand am Meer. Zudem hielten die Achtziger definitiv coolere Vorlagen bereit als die, bei denen sich die Norweger bedienen – man will keine Kunst machen, man will keine Emotionen transportieren, man will sich erinnern und Party machen.
Was der Band gelingt, ist, in zehn Songs zehn Grundausrichtungen zu bedienen. Je nach Schwere er eingebauten Gitarren etwa, je nach Dichte der Synthies, je nach Tempo der Songs, je nach dem Druck, den sie aufbauen, trägt jedes Stück eine andere Analogie zu anderen Originalen. Manchmal hört man direkte Songs heraus, etwa „We Will Rock You“ von Queen in „Skinny White Pants“ oder „Eisbär“ von Grauzone in „Cats In Space On Synthesizers“, manchmal erinnern die Songs lediglich grob an spezielle Bands, andere an Genres, „I Knew I Was In Love Again“ an den Elektrofunk und an Latinpop etwa. Tatsächlich ist ihnen zugute zu halten, dass sie mit den Synthies keine Housetracks generieren, sondern sie tatsächlich wie in den Achtzigern einsetzen, als man mit ihnen noch die Struktur von Rockmusik kopierte.
Man hat den Eindruck, als wollen Ocean Of Lotion den Spaß, an den sie sich erinnern (oder den ihre Eltern gehabt haben mögen, je nach Alter der Musizierenden), mit einer bis drei Umdrehungen mehr rekapitulieren. So etwas taugt bestimmt gut auf Altstadtfesten oder beim Grand Prix Eurovision de la Chanson Européenne, wie der Eurovision Song Contest ja damals noch hieß. „LouiLouiLoui“ ist überdreht, kreischig und so voller Energie, dass man sich hinterher dringend abschminken möchte. Und es will lustig sein, in „Crocodile“ heißt es, dass man den Unterschied zwischen Alligator und Krokodil nicht sehe, lustig, ja, und vergisst dabei die Kaimane.
Erstaunlich ist, dass „LouiLouiLoui“ das erst zweite Album der Norweger ist – nach 2012, als das ähnlich überdreht gelagerte „Dive In“ herauskam. Das Personal auf den Alben ist üppig, auf dem neuen finden sich zudem einige Gäste, etwa Sondre Sagstad Veland und Vegard Wikne von Dobbeltgjenger, der Jazz-Saxophonist Michael Barnes und Jon Ivar Kollbotn von Major Parkinson, und die Band selbst besteht aus Musikern mit Namen wie Himalaya Sabotage, Andy Atlantic, Lila Lu, Lars Love, Pluto, Maffa McAdder und The Artist Formerly Known As UFO. Wem das alles ein viel zu klebriger Hedonismus ist, der greife lieber zu „Godspeed Into The Mainstream“, das Debüt von Spleen United aus Dänemark – die bedienten sich damals zwar ebenfalls bei den Achtzigern, verankerten ihre Quellen aber in der Gegenwart und gaben ihrer Musik eine eigene Stimmung, gewaltiger, dunkler und weniger auf den reinen Spaß beschränkt. Musikalisch schlecht sind Ocean Of Lotion mitnichten, nur ist ihre Musik für den alltäglichen Konsum zu kalkuliert.