Von Guido Dörheide (13.10.2023)
Zinker? Baxxter? Kerkeling? Nein, meine Damen und Herren, verehrte Lesende: Die Rede ist von H.P. Lovecraft, heuer nun schon zum zweiten Mal innerhalb von nur zwei Tagen. Nicht nur die französische Post-Black-Metal-Band Blut aus Nord beruft sich auf den großen Literaten, sondern auch die nordrheinwestfälische Blackened-Death-Metal-Institution Sulphur Aeon, deren neues Werk „Seven Crowns And Seven Seals“ (nicht zu verwechseln mit „Seven Brides For Seven Brothers“) ein schleimiges Schlabbermonster auf dem überaus geschmack- und stimmungsvollen Cover trägt, das geradewegs den Erzählungen über den Cthulhu-Mythos entsprungen zu sein scheint.
Sulphur Aeon aus Waltrop im Landkreis Recklinghausen, NRW, wurden im Jahr 2010 gegründet und haben in den vergangenen zehn Jahren vier Studioalben und eine Live-Aufnahme veröffentlicht, außerdem ein Demo und eine EP. Sie haben sich komplett dem Cthulu-Mythos sowie dem Blackened Death Metal verschrieben, einem Musikstil, der mir – ebenso wie der Post Black Metal – mehr zusagt als der ursprüngliche, trve Black Metal, da er aus dem Death Metal den Growl-Gesang und die wie ich finde sattere Produktion übernimmt und gitarrentechnisch genug Black Metal beinhaltet, um deutlich desolater und lebensfeindlicher rüberzukommen als der übliche Death Metal mit seinen menschenfressenden Zombies und all dem Krieg.
Sulphur Aeon haben mit M. einen wunderbaren Sänger, der nicht nur growlt und bisweilen auch krächzt, sondern auch einen tollen, tiefen Klargesang hinzulegen im Stande ist (hierzu gerne mal „The Yearning Abyss Devours Us“ anspielen, da ist alles drin, was M. drauf hat) und der Musik damit eindrucksvoll seinen Stempel aufdrückt. T. und A. an den Gitarren tun ihr Übriges, um Sulphur Aeons Musik unverkennbar zu machen: Hier wird nicht nur deathmetallisch dumpf und basslastig gerattert, sondern sehr melodisch und dennoch hinreichend dissonant den höheren Tönen gehuldigt, das Ganze vorwiegend im mittleren Tempo gehalten, Bass, Synths und sonstige Klangeffekte von S. runden solide nach unten ab, während D. am Schlagzeug alles gibt, aber blackmetaltypisch in den Hintergrund gemischt wird.
Bei aller gebotenen Dissonanz sind es doch immer wieder die Melodien, sowohl beim Gesang auch bei Rhythmus- und Leadgitarre, die mich beim Hören von Sulphur Aeon in den Bann ziehen. Neben Metal spüre ich hier auch zahlreiche Einflüsse des Gothic Rocks, nur eben deutlich härter, und M.s Gesang steht dem eines Nergal in nichts nach, nur, dass ich die Songs von Sulphur Aeon als einen Hauch greifbarer und wiedererkennbarer empfinde als die der von mir ebenfalls überaus verehrten Behemoth, aber das ist jetzt auch nur meine Meinung.
Extreme Metal darf gerne extreme Schmerzen beim Hören verursachen, aber er kann die Hörenden auch mal warm umfangen und sie abholen, wo auch immer sie gerade stehen, und genau das gelingt M., T., A., S. und D. mit „Seven Crowns And Seven Seals“ auf das Vortrefflichste. Vor allem den Gesang empfinde ich als sehr warm und schön, die Melodien erzeugen ein gutes Gefühl, und trotzdem schwingt immer ein deutlich spürbares Unbehagen in allen Stücken mit, das allerdings immer irgendwie beherrschbar bleibt. Als Beispiel sei hier das Titelstück anempfohlen, mit knapp 9 Minuten Spielzeit nur durch das letzte Stück „Beneath The Ziqqurats“ an Länge übertroffen: Düster dräuend baut es sich auf, ein erstes Gitarrensolo ist bereits im Intro zu hören, der Gesang ertönt schöön langsam und düster, jede Note wird ausgekostet, und M.s dunkler Gesang wird wunderschön durch hell jaulende Gitarren kontrastiert, dann folgt ein akustisches Zwischenspiel, M.s Gesang greift die ursprüngliche Melodie wieder auf, nur dass erstmal alles ruhiger, weicher und ja – irgendwie lässig daherkommt, bis sich das Stück gegen Ende sehr schön ruhig, achtsam und entschleunigt in einen wahren Höllenlärm hineinsteigert. Teilweise klingen die Gitarren sogar nach blueslastigem Classic Rock, ohne ihre Exreme-Metal-Wurzeln zu verleugnen oder -raten. Wie machen die das? Das folgende „Beneath The Ziqqurats“ beschließt das Album ebenso langsam, aber noch düster-gewaltiger innert 9:14 Minuten und lässt keinen Zweifel offen, dass es sich hier weder um fröhliche noch um leicht zu verkraftende Musik handelt, die sich jedoch komplett schmerzfrei und sehr begeistert hören lässt. Und zwar immer und immer wieder.