Von Matthias Bosenick (27.09.2023)
Die jüngeren Alben und Singles des Hamburger Electro-Postrock-Duos Collapse Under The Empire waren sich so sehr ähnlich, dass man nach anfänglicher Euphorie über den neuen Sound zu der Erkenntnis kam, dass sich eben dieser Sound alsbald abnutzte, und man das Projekt aus den Augen verlor. Daher ist das instrumentale Konzeptalbum „Recurring“ also nicht ein erstes neues Album nach einer Lücke, sondern die lediglich unbegleitete Fortsetzung des eingeschlagenen Weges. Die Musik ist grundsätzlich schön, aber einfach gehalten: Achteltakte, schlichte Gebrauchsmelodien, pompöse Effekte, vertraute Akkorde. Das anfänglich bei der Band noch tiefer verwurzelte Dunkle dringt erst spät und nur spärlich ins Album ein, bis dahin kann man es sich in der Wattemusik gemütlich machen. Das funktioniert tadellos, etwas mehr Kantigkeit wäre jedoch wünschenswert.
Mit einem sanften technoiden Beat beginnt „Recurring“, und man denkt: Juhu, die Hamburger krempeln ihr Konzept um, erweitern es, bringen neue Aspekte ein, jetzt wird’s spannend. Wird’s dann aber doch eher nicht: Kennt man die alten Sachen, begibt man sich mit „Recurring“ auf ein sehr vertrautes, aber abgemildertes Gebiet. Chris Burda und der einstige Heavy-Metal-Gitarrist Martin Grimm türmen Schicht auf Schicht, ersinnen eingängige Melodien, lassen das von Nando Schäfer gespielte Schlagzeug auch mal wirbeln, breiten Flächen über die Lücken und bedienen die ganz große Geste, die epische, die mit dem Pathos drin. Die Musik des Duos ist leicht zugänglich, selbst Radiohörer oder Blockbustergucker dürften wenig Schwierigkeiten damit haben, sich darauf einzulassen.
Das ist natürlich auch eine Leistung, sich bei Postrock, Shoegaze, Ambient und Progrock zu bedienen, also eher sperrigen bis experimentellen Genres, und daraus als das Eigene etwas zu kreieren, das diese Genres auch unbedarften Hörenden zugänglich macht. Collapse Under The Empire empfehlen sich mithin als Einstiegsdroge. Sobald man indes tiefer in die Materie eingedrungen ist, lässt man die Band allerdings hinter sich, deren Akronym nicht zufällig wohl CUTE lautet.
Der Zugang ist aber auch niedrigschwellig. Gefühlt alle Songs basieren auf variantenarmen Achteln, viele Melodien kennt man bereits, wenn nicht von der Band selbst, dann überraschenderweise von Neunziger-Eurodance-Hits. Erst spät lassen Grimm und Burda eine Gitarre erklingen, die dezidiert angeschlagen an alte Songs von The Cure erinnert, wie sie später auch in den Postrock und Shoegaze einfloss. Das leider kurzlebige Projekt Transmission mit Youth und „Big“ Paul Ferguson von Killing Joke, Simon Tong von The Verve und Tim Bran von The Orb startete nur unwesentlich früher als CUTE mit einem ähnlichen Konzept, doch merkte das Quartett offenbar, dass es sich totlief, und hörte nach wenigen Jahren wieder auf. Zudem ließen die vier deutlich mehr Tiefgang zu, der den Hamburgern leider fehlt: Was hier nach Gefühlen klingt, wirkt einstudiert, angeeignet und reproduziert, jedoch nicht empfunden.
Obschon es instrumental gehalten ist – möglicherweise wäre die bei Apocalyptica geklaute Idee von Gastsängern ja eine schmackhafte Horizonterweiterung –, trägt „Recurring“ ein Konzept, das die Ein-Wort-Songtitel verraten: Genesis, Revelation, Mercy, Absolution, Requiem, Forgiveness, Salvation, Apocalypse, Creation, also das Ende der Welt, wie wir sie kennen, eingeläutet von ihren Bewohnern selbst, inklusive unbekanntem, aber hoffnungsvollem Neustart. „Recurring“ ist nun das neunte Album des Projektes seit 2008, und wer etwas Geld investieren mag, kann sich die zeitgleich erscheinende Box „Work 08-23“ zulegen, mit allen Alben, EPs, Singles sowie einigen Bonustracks auf elf LPs; welche genau, ist noch verborgen, ob etwa auch die verkehrt und fragmentarisch nummerierten Online-Singles „Section“ aus der Coronazeit auch mit dabei sein werden.
Auch unklar ist, ob man überhaupt elf Schallplatten lang Collapse Under The Empire durchhören mag. „Recurring“ allein schon ist dafür insgesamt zu süßlich. Das grandiose Video zu „The Great Silence“ vom fünften Album „Fragments Of A Prayer“ war 2011 ein vielversprechender Einstieg in das aufgrund der elektronischen Mittel ungewöhnliche Postrock-Projekt, da flirrten die Gitarren noch wie in dem Genre üblich, und auch wenn das Duo auch 2023 noch seine sanft startenden Tracks mit mehr und mehr Elementen zustapelt, bleibt es musikalisch auf risikofreien Wegen. Es fehlt die Tiefe, es fehlen Kanten, es fehlt der Mut, dem Mainstream etwas Bissiges anzubieten. So schön „Recurring“ grundsätzlich auch ist.