Von Matthias Bosenick (25.09.2023)
Die Musik-Artwork-Schere klafft weit auseinander, der Titel bildet das bindende Element: Scheint man es laut Cover mit etwas kunstvoll Gruseligem zu tun zu haben, ist die Musik ein hyperaktiver Power-Prog-Pop – „Soft Hell“ also, da haben Closure In Moscow schon Recht. Selbst in entschleunigten Passagen wirbelt das Quintett aus Melbourne ADHS-mäßig herum, rührt flächendeckend Elemente aus Radio-R’n’B, Teenage-Indierock und verschachtelten Progbaukästen zusammen – und lässt den Sänger mit der ungnädig hohen Stimme die schönen Passagen nur mit Schmerzen hörbar machen.
Dicht gepackt ist die Musik von Closure In Moscow auf diesem dritten Album, da steckt eine ungezügelte Power in allen Tracks. In den Grundzügen ist das eine Art Indierock, was das Quintett da macht, jedoch einer von Teenagern für Teenager, so überbordend süßlich wie bei Wheatus, trotz der Prog-Rock-Strukturen und der Kompromisslosigkeit in der Anwendung derselben. Also abwechslungsreiches, bisweilen komplexes Gebretter mit behutsamen Synthieeinsätzen und etwas weniger behutsamen Radiopopmelodien. Musikalisch lässt sich da ganz viel entdecken, von den verdichteten Powergroovern bis zu den balladesken Stücken, in denen die Musiker trotzdem hyperaktiv ihre Jugendlichkeit überkochen lassen.
So weit, so angenehm. Doch dann hat die Band ja auch noch einen Sänger. Und der hat offenbar eine Rakete im Hintern gezündet bekommen, so, wie er losjault, langgedehnt und in Höhen, die in den Ohren Schmerzen erzeugen. Er ist nicht James Dean Bradfield, der das auf eine Art hinbekommt, die sich in die Musik der Manic Street Preachers einfügt. Bei dem Mann mit dem wundervollen Namen Christopher de Cinque verhält es sich anders, er übertreibt es, es will mehr, als seine Stimme zu bieten hat, und das strengt unangenehm an. Dabei kann er auch anders, es gibt auf „Soft Hell“ einige Sequenzen, in denen er in angemessen entspannter Tonlage singt, und dann passt es nicht nur besser zur Musik, sondern ist sogar angenehm zu hören.
Ein neues Phänomen ist das nicht, die beiden nicht nur in Australien in progressiven Kreisen wohlwollend gefeierten Vorgänger „First Temple“ (2009) und „Pink Lemonade“ (2014) legten den Teppich dafür aus. Auch diese Alben spielten brachial mit Progressivität und Rockmusik, streckenweise sogar etwas härter als auf „Soft Hell“. Jüngere progressivere Indierockbands wie The Mars Volta stehen da sicherlich eher Pate als die Klassiker aus den Sechzigern, und sobald de Cinques Gesang von seinen Bandmates vervielfacht wird, fühlt man sich an den – ja: unangenehmen – Pop im Metalcore erinnert.
„Soft Hell“ lässt musikalisch aufhorchen, nur sollte man sich dabei rechtzeitig ducken. Und die Hunde aus dem Raum räumen, die könnten bei der Stimmlage durchdrehen. Das Album erscheint Ende Oktober.