Von Matthias Bosenick (30.06.2013)
Ohne Oliver Kalkofe hätte der Rezensent als Nichtfernsehender fast gar keinen Einblick mehr in das, was einem die 532 empfangbaren TV-Sender so vorsetzen. Ohne Oliver Kalkofe wäre das, was einem die 532 empfangbaren TV-Sender so vorsetzen, allerdings auch nicht ertragbar. Okay, auch mit ihm quält man sich oft fremdschämend im Sessel. Nach einigen Jahren Pause gibt es jetzt neues Futter vom Fernsehkritiker mit Hang zur Selbstverhohnepiepelung auf DVD. Was Kalkofe heute so macht, macht er ganz gut; er hätte aber sicherlich eine deutlich größere Auswahl an Scheiß abdecken können. Und: Die DVD-Box ist eine Mogelpackung; sie enthält lediglich „Die komplette erste Hälfte“ der ersten Staffel auf Tele5 sowie einen Platzhalter im Pappschuber für die zweite DVD-Box.
Was Kalkofe auszeichnet, ist, dass er in Sachen Bloßstellen vor sich selbst nicht Halt macht. In seinen Verkleidungen zeigt er sich als den dicken, hässlichen Menschen, der er nun mal ist, und nimmt damit alljenen, die er verhohnepiepelt, die Möglichkeit, sich im Gegenzug über ihn lustig zu machen – das kann er selbst am besten, im Gegensatz zu den meisten, die er kritisiert. In seinen Rollen beweist er zudem Beobachtungsgabe und Schauspieltalent, wenn er die Typen aus den echten Sendungen gekonnt imitiert und überzeichnet.
Einen kleinen positiven Unterschied zu den vorausgegangenen Staffeln auf Pro7 gibt es: Möglicherweise angestachelt von Formaten wie „Walulis sieht fern“ oder „Fernsehkritik.tv“ zieht Kalkofe den Scheiß nicht nur durch den Kakao, sondern entschlüsselt bisweilen die Mechanismen dahinter. Damit offenbart er kritischen Geistern zwar nichts Neues, regt aber vielleicht den zufällig Zappenden zum Nachdenken an. Etwa, dass als besonders dämlich dargestellte Hartz-IV-Empfänger dem Zuschauer suggerieren sollen, es gebe immer noch bescheuertere Leute als sie selbst, oder die Gefahr, die von Scripted-Reality-Dokus ausgeht, in denen sich die Protagonisten unsozial benehmen, dass nämlich der weniger aufgeklärte Konsument glauben könnte, man benehme sich so, und das Verhalten dann adaptiert.
Zwar ist der Anteil an Volksmusik und Schlager verglichen mit früher nahezu verschwindend gering, aber dennoch gibt es bestimmte Formate, die in der aktuellen Staffel gehäuft auftauchen. An Astro-TV-Sendungen hat Kalkofe sich offenbar festgebissen. Ein bisschen zu viel Lothar Mattäus ist auch drin. Die meisten Beiträge allerdings verdienen in der Tat die Verkalkung: „Der Bachelor“, das „Dschungelcamp“, Christian Wulff, „Schwer verliebt“ und anderer Käse. Indes, die Vielfalt war früher größer, Kalkofes eigene Beiträge kürzer und knackiger. Die machen mittlerweile gefühlt den größten Teil seiner Sendung aus.
Im Bonus gibt es den einstündigen Jahresrückblick „Fresse 2012“ mit erfreulich wenigen recycleten Beiträgen aus der Staffel, aber mit ganz viel Neuem, inklusive dem zum Internet-Hit avancierten wahren Wulff-Interview. So richtig super ist eine der beiden Zusammenschnitte seiner Live-Sendung „Gernsehclub“, nämlich das Special mit Achim Mentzel, dem einzigen Kalkopfer, das jemals respektabel reagierte und sich damit bei Kalkofe-Fans und Kalkofe selbst immensen Respekt erarbeitete. Das Special auf der DVD untermauert nur den positiven Eindruck, den man von dem DDR-Entertainer hat, und gehört zum Lustigsten, was auf den drei DVDs enthalten ist.
Von der Veröffentlichung der zweiten Hälfte ist derzeit noch keine Rede. Das mag daran liegen, dass Tele5 zurzeit noch neue Folgen ausstrahlt. Es bleibt spannend.