Von Matthias Bosenick (23.05.2023)
Ganz sanft und feinfühlig singer-songwritert Chris Staples auf seinem neuen Album „Cloud Souvenirs“, man muss es schon laut aufdrehen, um alle Facetten zu erfassen, und Facetten hat es einige. Wenn er sich nicht einfach wie, sagen wir mal, Nick Drake auf der Akustikgitarre begleitet, erinnern manche ausformulierte Stücke an schaumgebremste Americana oder die Fleetwood Mac der Siebziger. Staples hat keine Eile, und es tut gut, seiner entschleunigten Vorgehensweise ausgesetzt zu sein. Der Mann scheint einiges erlebt zu haben und gebärt sich angenehm reflektiert.
Es ist alles so zerbrechlich, was Staples hier errichtet. Selbst bei den etwas fluffiger instrumentierten Stücken mit den lieblichen Elementen darin, mit Orgel, Keyboard, Streichern oder Ähnlichem zum reduzierten Schlagzeug, lässt er den Eindruck von Fragilität mitschwingen. Sein zurückhaltendes Hauchen trägt eine Menge zu diesem Eindruck bei, Staples singt sich nicht in den Vordergrund, obgleich er ihm gebührt, er klingt introvertiert, nachdenklich; was er vermeidet, sind Jammern und Weinerlichkeit, gottlob. So erinnert seine Darbietung bisweilen an Nick Drake, an anderer Stelle, wenn er wie beiläufig zu singen scheint, auch mal an Michael Acher von The Notwist.
Die synthetischen Spielereien des Vorgängeralbums „Holy Moly“ aus dem Jahr 2019 lässt Staples hier bleiben, das ist auch gut so, die passten nicht so richtig zu seinen Songs. „Cloud Souvenirs“ klingt daher gereifter, aber auch nach etwas Erlebtem, nach überwundenen Erfahrungen, nach Wehmut vielleicht, der Zustand zwischen abklingender Erschöpfung und behutsamem Neuanfang, zwischen Ab- und Aufbruch. Der in Seattle residierende Staples verarbeitet offenbar den Tod seiner Mutter, den er in seiner alten Heimat Florida begleitete, sich auf ihrem Klavier von den Umständen ablenkte und damit die Grundlagen für „Cloud Souvenirs“ schuf.
Staples ist ein Selbstaufnehmer, der offenbar alle Instrumente allein einspielt. Das macht er seit Jahrzehnten so, auch unter dem Alias Discover America, jedoch nicht als Teil der Indierockband Twothirtyeight, deren Trennung auch schon wieder zwanzig Jahre zurückliegt. Seine ersten Solo-Alben brachte er selbst heraus, erst das vierte erschien auf einem Label, „Cloud Souvenirs“ ist das sechste als Chris Staples und das erste auf seinem eigenen Label Hot Tub Recordings, also im Grunde wieder selbst veröffentlicht. Nicht verwandt ist Chris überdies mit den Staples‘ der Staple Singers.