Von Matthias Bosenick (04.03.2023)
Nightwish-Metal lediglich in 2D plus Mittelalter-Folklore-Tralala, inklusive „Tanderadei“ und einer anstrengenden Stimme: Lumsk aus Trondheim vertonen nach 16 Jahren Pause auf „Fremmede Toner“, ihrem vierten Album in 22 (andere Quellen sagen 24) Jahren, ins Norwegische übersetzte Gedichte und in der zweiten Hälfte deren Originale. Handwerklich kann man dem Septett nix nachsagen, aber dennoch wehren sich die Ohren dagegen, der Musik dauerhaft ausgesetzt zu sein: Zu viele Klischees aus den verschiedenen Genres – und ein Gesang, der mehr will, als er zu bieten in der Lage ist.
Wenn man schon zu siebt ist, hat man bestimmt ordentlich Leute zur Hand, die ihre Instrumente mindestens richtigherum halten und auch versiert einsetzen können, und das kann man den Leuten von Lumsk nicht absprechen. Da kommt ja auch einiges zusammen, was dem Metal ebenso zuträglich ist wie der Folklore: die Violine von Siv Lena Laugtug Sæther, das Keyboard von Espen Warankov Godø, die Gitarren von Eystein Garberg und – neu dabei – Roar Grindheim, der Bass von Espen Hammer, das Schlagzeug von Vidar Berg sowie natürlich der Gesang – ebenfalls neu – von Mari Klingen. Leider ist es gerade letztere, die dem Hörgenuss einiges abverlangt. Nichts gegen hohe Stimmen, nichts gegen zarte Stimmen, gerade aus Norwegen sei da Stina Nordenstam herausragend hervorgehoben, aber Mari Klingens Organ ist zu schwach für das, was sie damit ausdrücken möchte, da steht sie ihrer Vorgängerin leider in nichts nach. Und wenn dann zum Schluss einer ihrer männlichen Kollegen einspringt, wird es nicht eben besser.
Aber es gibt ja auch noch Musik. Ja, die ist gut gespielt, aber – es ist, kombiniert mit dem hohen Gesang, zu dicht an Nightwish, dabei aber flach, auch wenn es mal Riffs zu hören gibt, und es ist irgendwie Folklore, die sehr dicht bei dem deutschen Mittelalterzeug geparkt ist und bisweilen die Nähe zum Sakralen nicht scheut – und zum Albernen. Tanderadei. Das war in den Neunzigern noch cool und aufregend, überschritt aber seine Halbwertszeit schon kurz darauf. Ja, die Band frickelt fröhlich herum, generiert ein breites Spektrum an Sounds und Stilen, mixt manches munter, kann was am Apparat, aber. Es ist zu viel unangenehm. Immerhin holt hier niemand den Feuerschwanz aus der Hose, so viel Anstand haben die Norweger.
Interessant ist noch das Konzept dieses Albums: „Fremmede Toner“ ist der Titel eines Gedichtbandes, den der Norweger André Bjerke 1947 herausbrachte und in dem er deutsch- und englischsprachige Lyrik ins Norwegische Bokmål übersetzte, darunter A.C. Swinburne, Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Nietzsche. Lumsk machen aus sechs Texten Lieder und spiegeln sie mit ihren jeweiligen Originalen. Die singen sie nicht einfach zur selben Musik neu ein, sondern komponieren neue Songs dazu – eine Mammutarbeit also. In seiner Nische mag das funktionieren, darüber hinaus hat es jedoch so seine liebe Not.