Von Guido Dörheide (12.12.2022)
An dieser Stelle wollte ich eigentlich einige Zeilen über die neue Dead Cross fallenlassen (wollte ich eigentlich gar nicht, ich wollte nur mal deutlich machen, dass das eine Musik ist, die mir taugt), aber da Herr Van Bauseneick das schon getan hat, habe ich jetzt hier die Muße, mich über das neue Album von Oak auszulassen [was der Herr van Bauseneick selbst auf dem Zettel hatte, jedoch das Album noch nicht erwarb {Matze}]. Was ich gerne tue: Und wieder einmal mehr muss ich mir und der Welt eine Bildungslücke eingestehen: Die Frau auf dem Coverbild – die Unbekannte aus der Seine – war mir bislang komplett unbekannt. Viele liebe sehr verehrte Lesende – bitte googeln Sie das, es lohnt sich! Und gibt auch Aufschluss auf die Texte, auf die ich hier deshalb nicht weiter eingehen werde. Was also ist Oak? Zunächst einmal ist es aus Norwegen, und somit wert, da mal reinzuhören. Hmm, Erste Frage – Norwegen – ist es a-ha oder ist es Black Metal? Antwort: Es ist eher mehr so, als ob a-ha Black Metal spielen würden, als irgendwas anderes. Oder es ist so ähnlich wie Ulver. Nur anders.
Nächste Frage: Oak aus Norwegen – ist es überhaupt Metal? Antwort: Ganz klar ja. Gegenfrage: Ist „Ulver“ Metal? Na also.
Nähern wir uns dem neuesten – dritten – Werk von Oak zunächst von der betriebswirtschaftlichen Seite: 7 Stücke, knapp 50 Minuten, es handelt sich also eher um eine Band, die ihre Ideen in längeren Songs ausarbeitet, als um eine, die einem alles, was ihr so einfällt, in 3-Minuten-Brocken um die Ohren schmeißt.
Und das ist sehr gut so: Das erste Stück, „Highest Tower, Deepest Well“, beginnt mit komischen Geräuschen, über die sich dann ein ziemlich dominantes Klavier legt, dass die Hörenden in seinen Bann zieht und nach einem dann einsetzenden Gesang schreit – aber dieser setzt nicht ein, sondern an seiner Statt eine für meine Begriffe ziemlich bratzende Gitarre. Und sobald diese sich nach wenigen Momenten zurücknimmt, setzt der Gesang ein. Klar, tief, wieso nicht gegrowlt? Egal, passt! Meine Abneigung gegenüber jeglicher Art von Klargesang hebe ich mir auf für eine der nächsten Rezensionen – hier passt er klar nicht her. Das eröffnende Stück ist nicht nur gut, es ist auch abwechslungsreich, bisweilen hört man fast Anklänge an Djent, die ich hier nicht erwartet hätte. Ist auch egal, denn das Pfund, beziehungsweise die norwegische Krone, mit denen Oak hier wuchern, ist die alles überragende Traurigkeit und Melancholie, die dem Dargebotenen innewohnt. Ja, verdammt, der Gesang erinnert an TesseracT, nervt aber bei weitem nicht so. Wie machen Oak das?
Nun, das machen sie ganz hervorragend.
„Dreamless Sleep“ eröffnet mit einem Bass, der da einfach hingehört, dann ruhiger Gesang, so könnte es weitergehen, auf einmal dann Saxophon und dann Gesang, der, wäre er gegrowlt, irgendwo bei Metalcore landen würde, zum Glück tut er es nicht. Ohne Zweifel, Oak wissen, was sie da machen, und sie wissen, wie man verhindert, dass es a) pathetisch oder b) peinlich wird.
Für Klavier haben sie was übrig, auch das zweite, sozusagen das Titelstück „Quiet Rebellion“ beginnt mit einem solchen. Dazu gesellt sich eine akustische Gitarre, die jedes Umgreifen schnarzend hören lässt, und danach setzt der Gesang ein. Wieder einmal mehr kann ich über den Klargesang nicht böse sein – er passt einfach sehr gut, das Schlagzeug donnert einerseits alles an die Wand und fügt sich dennoch harmonisch in den Song ein, toll!
Auf dem nachfolgenden „Sunday 8 A.M.“ ertönt zunächst wieder Klavier, dann eine überaus schnarrende Snaredrum. Wieder Gesang, und dann? Erstmal geht es so weiter. Auf einmal läuft ein Bass, den ich hier niemals erwartet hätte, die Melodie setzt sich fort wie zuvor, nur mit kompletter, ergreifender Instrumentierung und dann – Bass, Klavier, mehr Klavier, Leadgitarre, jetzt erwarte ich das absolute Gedonner, aber nein – Oak setzen die begonnene Melodie fort, nur lauter, und dann setzt wieder dieses unglaubliche Saxophon ein. Soo geht Selbstbeherrschung. Hammer.
„Demagogue Communion“ macht so weiter, dazu betörender Backgroundgesang, laut und leise wechseln sich ab, Oak schaffen es, niemals zu langweilen. Die Chance dazu bekommen sie auf „Paperwings“ mit immerhin knapp 14 Minuten Spielzeit, ich bin mal gespannt: Oh ja, düstere Snyths und ebenso düsterer Gesang eröffnen das Stück – so auf diesem Album noch nicht gehört gehabt! Das Schlagzeug nimmt dann schön hart und dominant die Führung durch den Song auf, ohne die Synths an die Wand zu drängen. Das hier ist wirklich kein Metal mehr, sondern der reinste Prog. Im positivsten Sinne. Und irgendwann wird dann fast noch mehr gegrowlt als gesungen. Wer hätte das gedacht? Gegen Ende wird gerockt, als gäbe es kein Morgen (immer unter Berücksichtigung der Nähe zum Wendekreis des Nordens), aber wirklich schön und nicht etwa breitbeinig gerockt, und gegen 9 Minuten 30 hauen Oak dann dem/der geneigten Prog-Rock-Fan Harmonien um die Ohren, die ihn/sie zunächst in floydiger Erwartung ob des, was nun kommen möge, zurücklassen, um dann schließlich mit Klavier und Gitarre alles in Grund und Boden zu spielen. Irgendwann kommt eine Orgel hinzu und dann, meine Damen und Herren, dann wird endlich gegrowlt. Einen solchen Spannungsaufbau habe ich selten auf einem Album – auf irgendeinem Album – erlebt. Groß. Art. Ig. Vollkommen platt davon nehme ich zur Kenntnis, dass immerhin noch gut sieben Minuten zu hören anstehen.
„Guest Of Honour“ wird von einem schönen Bariton mit Bass und (wen nimmt es Wunder?) Klavier eingeleitet. Das Ganze klingt versöhnlich, entspannt, dennoch düster, wird zwischendurch langsam und das Klavier hört niemals auf, sehr schöne Melodieläufe zu spielen. Dennoch nehmen Lautstärke und Intensität des Gesangs ab der Hälfte des Stücks zu, nur um dann wieder dem Ohr der/des Hörenden zu schmeicheln. Gegen Ende ertönen Gitarrenklänge, die wieder einmal mehr floydige Gefühle zu erwecken vermögen. Dann wird geschrammelt und dann wird es ruhig. Der Schuft, der dieses Album dereinst mit auf die Schlussakkorde folgende Bonustracks herausbringt, sei jetzt schon auf das übelste beschimpft.
Als Fazit sage ich, wer Ulver mag und wer es gerne mal härter als die neueren Werke von Ulver mag und wer trotzdem nicht unbedingt Extreme Metal hören mag, ohne auf dessen spezifische Haptik auf den Trommelfellen verzichten zu mögen – dem sei „The Quiet Rebellion Of Compromise“ auf das Allerherzlichste anempfohlen. Und das ohne jegliche Kompromisse.