Von Matthias Bosenick (25.04.2022)
Einfach ist es nicht, zu diesem Buch eine Haltung zu finden. Kosmos schlachtet die Marke „Die drei ???“ ohnehin erheblich aus, nun lässt der Verlag der Serie von Graphic Novels mit komplett eigenen Fällen die zum Comic gemachten Ur-Folgen folgen, ausgehend von Fall 1, „Das Gespensterschloss“, 1964 von Robert Arthur erstmals veröffentlicht als „The Secret Of Terror Castle“. Der Fall erfuhr 1980, zwölf Jahre nach der Buchveröffentlichung in Deutschland, einen ersten Medientransfer, als er als diskontinuierliche Folge 11 der Hörspielreihe erschien. 2009 verdrehte man die Geschichte zum Kinofilm „Das verfluchte Schloss“, 2005 und 2018 hievte das Vollplaybacktheater die Episode auf die Bühne und nun also liegt als neuerliche Visualisierung ein Comic vor. Der Inhalt ist natürlich komplett vertraut, zeichnerisch will man sich an den Sechzigern orientieren, doch weil man die Geschichte schon seit 40 Jahren im Kopf hat, braucht man dazu auch nicht wirklich noch die vagen Bilder, die andere Leute sich dazu ausdenken.
Da sieht man also drei Bengels, die sich nun „Die drei Detektive“ nennen, Visitenkarten drucken und die Vorzimmerdame von Alfred Hitchcock anschwindeln, der hier indes Albert Hitfield heißt, um für ihn als Filmkulisse ein Spukschloss zu finden. In Kalifornien, in dem es das europäische schlossgespickte Mittelalter gar nicht gab. Aber dafür den Fall eines Schauspielers, der tragisch aus dem Leben schied und sein selbstgebautes Schloss verfluchte. Den daraus resultierenden Geistererscheinungen gehen Justus, Peter und Bob auf den Grund, natürlich mit Erfolg, was Hitch… Hitfield stark beeindruckt.
Justus, Peter und Bob sehen hier nicht so aus, wie man sie sich selbst vorstellt. Das gilt vermutlich pauschal für alle Leser und Hörer der Serie, weil jeder individuelle Ideen davon hat. Noch am ehesten traf tatsächlich das Vollplaybacktheater ein Erscheinungsbild, das überzeugte und das man hernach beim Konsum der Episoden vor Augen hatte, aber nicht das aus den Filmen oder den Comics. Zudem sehen die drei hier auch nicht aus wie die aus der bisherigen Graphic-Novel-Reihe, die zwar zuletzt Christopher Tauber als Autoren teilen, aber andere Zeichner haben; hier ist es Ines Korth, dort war es beim vierten Band „Der goldene Samalander“ Calle Claus. Okay, ähnlich ist: Justus ist klein und mollig, Peter ist schlank und groß, Bob ist schlank und trägt Brille. Wie aber will man das Neunmalkluge, das Ängstliche und das Neugierige visuell darstellen? Sympathisch wirken die Figuren hier jedenfalls eher nicht, und zwar durchgehend, und dazu kommt, dass der Stil oft zu ungenau ist, um die (Neben-)Charaktere wiedererkennbar genug auszugestalten.
Heißt also, man hangelt sich anhand von Bildern, die auf die man sich erst einlassen muss, an einer Geschichte entlang, die man bereits bebildert im Kopf hat. Und das funktioniert nur mühsam. Was auch am Zeichenstil liegt, der zwar den Anschein des Historischen wahrt, aber nicht historisch ist, sondern eben von heute, und dazu die Outlines nicht in Schwarz, sondern einem mitteldunklen Braun hält, was irgendwie verblichen aussehen mag, aber nicht gerade gelungen. Es ist natürlich eine korrekte Entscheidung, alles im Damals zu belassen und die drei Ermittler nicht mit Handys und Computern herumlaufen zu lassen, und ebenso, den Stil nicht postmodern-dynamisch anzulegen. Eine durchgehende Klarheit und Exaktheit hätte den Figuren aber gutgetan, und spätestens, wenn es um Geistererscheinungen geht, allem voran das Blaue Phantom, erfasst man die Wucht des Erlebten nicht so stark, weil ohnehin alles irgendwie latent verwaschen wirkt. Da sind wirre blaue Flächen im Panel, aha. Und nicht etwa grüne, wie auf dem Cover angedeutet, warum auch immer.
Immerhin, anders als bei der Comicumsetzung der „Fünf Freunde“ von Enid Blyton nimmt man sich hier Zeit und Raum, um die Geschichte nicht kürzen zu müssen. Eine atmende Atmosphäre ergibt sich daraus indes dennoch nicht. Manche folgenreiche Erkenntnis verpufft in einer Sprechblase in einem Bild, das eine ganz andere Figur zeigt als die Sprechende. Die Dramaturgie geht verloren, und wenn man sich das Buch durchliest, stellt man respektvoll fest, wie gelungen trotz einiger Kürzungen und Änderungen (als Hörspiel-Hörer weiß man nicht, warum Bob lediglich für Recherchen und Archiv zuständig ist und nicht etwa als vollwertiger dritter Detektiv gilt) das Hörspiel tatsächlich ist. Und wie unmessbar viel geiler als die Fälle von heute, in Schrift und Ton. Und à propos Ton, Onkel Titus‘ Kreissäge, die auf dem Schrottplatz immerfort zu hören ist, erfährt hier eine visuelle Entsprechung, die es im Buch in der Form nicht gibt.
Nun war „Der goldene Salamander“ als vierte Graphic Novel zwar nicht der große Bringer, verglichen mit den Fällen davor, die immerhin auch als Hörspielumsetzung (für Planetarien) mehr Substanz boten als die letzten 100 Episoden der regulären Reihe, was bei den ersten beiden vermutlich an Ivar Leon Menger als Autoren liegt, und doch hat diese Reihe mehr Reiz als die der Klassiker-Comics. Kurios ist, dass als zweite Klassiker-Folge für den September „Die flüsternde Mumie“ angekündigt ist, die indes im US-Original erst als drittes erschien, nach „Der Superpapagei“. Und jedes Buch für 18 Euro. Irgendwie muss man die Kuh ja melken, nachdem man die Bücher schon im Erscheinungsbild verhunzt und teurer gemacht hat. Aiga Rasch hätte die Comics zeichnen sollen, das wäre bestimmt ein Abenteuer gewesen. So bleibt das Hörspiel unübertroffen die beste Adaption der Geschichte, in der der weitsichtige Arthur schon immens viele Elemente des bis heute gültigen DDF-Kanons anlegte: der Schrottplatz, die Zentrale, Morton und der Rolls Royce, Skinny Norris, Titus & Mathilda, die Visitenkarte, Justus knetet seine Unterlippe, der Bezug zu Hollywood. Vor 58 Jahren.