Von Matthias Bosenick (13.04.2022)
Was für eine Energie! Nach 20 Jahren im australischen Politzirkus hat sich bei Peter Garrett vermutlich noch mehr Frust und Wut angestaut, als es davor zu aktiven Zeiten als Sänger von Midnight Oil schon der Fall war. Jetzt sind Midnight Oil wieder da, „Resist“ ist das bereits zweite Album seit der erneuten Zusammenkunft und soll nach Angaben den Band altersbedingt auch das letzte sein (Garrett wird am Samstag 69 Jahre alt, Bassist Bones Hillman starb vor zwei Jahren, war an „Resist“ aber noch beteiligt). Ein bedauernswerter, aber ein Abgang mit Schmackes wäre das – und keiner mit einem neuen Radiohit à la „Beds Are Burning“, solche hatten Midnight Oil in den zwölf aktiven Jahren nach „Blue Sky Mine“ ohnehin nicht mehr im Repertoire, sondern viel störrischere, eigensinnigere, kraftvollere Rocksongs mit Botschaft und trotzdem auch Spaß am Rocken, durchsetzt mit kaum weniger intensiven Balladen. Wie auf „Resist“.
Und wenn sie hundertmal hernach nicht mehr ganz so radio- und massentauglich waren wie bis Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger: Melodien, Schönklang, Hymnen und Eingängigkeit können Midnight Oil trotzdem, nur oft etwas sperriger verpackt. Hier dringt nämlich auch einiges von der noch viel früheren Vergangenheit der „Oils“ durch, vom Hardrock und vom Postpunk, mit knarzigen Gitarren und treibenden Rocksongs; „The Barka-Darling River“ greift mit seiner gebrochenen Struktur zwischen Rocksong und Pianoballade sogar die noch viel frühere Progrockphase auf, mit einem unerwarteten Feuerzeug-Singalong-Finale.
Song wie die Single „Tarkine“ oder „Last Frontier“ möchte wohl noch am ehesten die Leute erreichen, mit Melodiefragmenten, die man aus dem früheren Oeuvre der Oils zu kennen meint, und einem lieblichen, versöhnlichen Refrain. Ansonsten hört man der Band an, dass sie etwas zu sagen hat, oder besser: zu singen, denn Garretts Stimme ist durchdringend, wo sie nicht rauh knarzt, und dieses Durchdringende kann auch mal ins Unangenehme kippen, das war schon immer so bei ihm, das muss man mögen oder einfach wegstecken. Weil, drumherum gibt’s ja gute Musik.
Und Botschaft, die Band befasst sich einmal mehr mit dem, was sie seit Jahrzehnten musikalisch sowie Garrett in der Pause auch im Australischen Parlament umtreibt: Umweltschutz, Abrüstung, die Rechte der Australischen Ureinwohner, der Aborigines, die wie weltweit alle Ureinwohner auch hier politisch korrekt als „First Nations“ bezeichnet werden. So auch auf dem Album, das „Resist“ voranging, „The Makarrata Project“ aus dem Jahr 2020 nämlich, das unter der Teilnahme von First-Nations-Musikern, -Sängern und sogar -Rappern entstand, mit einem herrlichen Gemisch aus mehr druckvollem Pop, mehr Ballade, Bläsern, eingesprochenen Statements und überhaupt wundervoller Musik.
Die Songs für „Resist“ entstanden in derselben Session wie die für „The Makarrata Project“, waren für eine frühere Veröffentlichung vorgesehen und erfuhren die weltweit gleichsam begründete Verschiebung. Und stellen nun also das Vermächtnis dar. Ein Abgang mit Karacho, kann man nicht anders sagen. Es empfiehlt sich derweil, sich auch die nach „Blue Sky Mining“ erschienenen Alben zuzulegen; „Breathe“ mit seiner Surfattitüde, „The Real Thing“ mit seinen Akustik-Versionen, „Redneck Wonderland“ mit seinem eruptiven Rock und „Capricornia“ mit seinem versöhnlichen Rückgriff auf die kommerziell erfolgreiche Rockphase etwa.