Von Matthias Bosenick (06.01.2022)
Der Nachschlag zum Doppelalbumboxmegarelease vor wenigen Monaten: Deine Lakaien haben noch mehr Coversongs im Köcher, inklusive eigenkomponierten Referenzen dazu. „Dual+“ nennen sie das und untermauern damit, wie weit das kulturelle und musikhistorische Spektrum der beiden Gruftmusiker geht – weiter jedenfalls als das der meisten Gruftis. Ohne Pink Floyd etwa ist ja ohnehin der Gothic Rock kaum denkbar. R.E.M. und Devo sind hier eher unerwartet dabei, und mit dem abschließenden „Wiegenlied“ des Komponisten Michael Glinka entspricht das Verhältnis von Coverversion zu Eigenkomposition auf „Dual+“ nicht dem von „Dual“ – hier gibt’s mehr Originale. Sound und Stil der Lakaien bleiben wiedererkennbar zwischen balladeskem Akustik-Piano und beinahe an Industrial angelehnter Elektronik mit Gruftpopgrundlage. „Dual+“ ist sogar geschlossener als der Vorgänger, nur „Losing My Religion“ wirkt hier ähnlich deplatziert wie weiland „The Walk“ von The Cure auf „Dual“, nur nicht so peinlich.
Ernst Horn hat keinen Bock auf Konventionen. Das merkt man deutlich, sonst wäre „Dual+“ weit gefälliger ausgefallen. Natürlich hat auch dieses Album seine verträglichen Passagen, die Neuversion des „Dual“-Hits „Run“ etwa ist schön geworden, beatlos, mit Streichern, wohltemperiertem Klavier und einem sich selbst stimmlich begleitendem Alexander Veljanov. In Stücken wie „Self Seeker“ indes dringt die historische Soundkulisse des Duos durch, das in den Achtzigern teils harsche Effekte in die Songs knallte. Der abgenudelte R.E.M.-Hit „Losing My Religion“ wiederum erinnert an die gefeierten Akustik-Touren der Lakaien, die Horn mit einem präparierten Piano bestritt; musikalisch also im Geiste des Duos, bleibt der Song ob seiner allgemeinen Bekanntheit ein befremdlicher Fremdkörper in dieser Zusammenstellung.
Anders ist es mit dem gleichzeitig epischen wie elektronisch-minimalistischen „Set The Controls For The Heart Of The Sun“, das mit dem psychedelischen Rocksong von Pink Floyd nicht so leicht vergleichbar ist, und mit „Mr. DNA“ von Devo, das hier ein wunderbar hektisch hämmerndes Pianostück mit Sprechgesang wurde. Beide Cover tragen mehr Eigennote und könnten so auch originär von den Lakaien sein.
Und immer wieder nimmt sich der musikalische Direktor Horn Freiheiten heraus, etwa in „Altruist“, das er vergleichsweise balladesk-poppig beginnt und mittendrin um unerwartete Soundeffekte erweitert, die die Stimmung des Stückes nicht zerstören, aber für sich unerwartet kommen. „Fork“ wiederum basiert auf dem Spätneunziger-Mittnuller-Elektrofunk der Lakaien, zackig, hektisch, experimentell. Ein breites Spektrum an Stilen und Sounds, die nicht nur deshalb dennoch geschlossen klingen, weil man sie überwiegend bereits von den Lakaien kennt, nur auf die Jahrzehnte verteilt.
„Dual+“ kann man sich besser anhören als „Dual“, das den Eindruck einer Auftragsarbeit erweckt, während der Nachfolger eine Herzenssache zu sein scheint. Natürlich ist das hier alles vorrangig Gruftmucke, aber man achtet bei den Lakaien schon sehr auf Qualität und Abgrenzung. Und auf Geschmack. „Dual+“ gibt’s als CD mit Digibook ohne Bonustracks.