Von Matthias Bosenick (30.12.2021)
Härter als der Vorgänger „FVEY“ von vor sieben Jahren soll „Old Gods“ nach Aussage von Shihad sein, und da muss man dann doch widersprechen: Das Energielevel erreicht das nunmehr zehnte Album der Neuseeländer nicht, klingt weniger knackig produziert und verfällt einmal zu oft ins Wohlklang-Hymnische – ihr einstiger Entdecker und „FVEY“-Produzent Jaz Coleman fehlt offenkundig. Wurscht, die vier alten Jungs sind sympathisch, ihr Indierock ist in den achtziger-sozialisierten Neunzigern verhaftet und ausreichend Riffs, Kniffe, Aggression, Groove und Melodien bringen sie auch nach 33 Jahren noch mit ins Studio. „Old Gods“ geht mehr als okay.
Die Nähe zu Jaz Coleman und Killing Joke lässt sich bei Shihad seit ihrem Debüt „Churn“ aus dem Jahr 1993 nicht verleugnen, was Wunder, produzierte ihr Entdecker jenes Album doch gleich. Doch wie ein Löwenzahn aus dem Asphalt wuchs der Sound von Shihad in eigene Richtungen, bis Coleman ihn aus „FVEY“ wieder einfing. Partiell ist auch auf „Old Gods“ davon noch etwas übrig, wenn die Riffs schwer und insbesondere monoton sind. Aber das kommt seltener vor, Shihad haben heuer andere Aufträge. Wenn hier von Härte die Rede ist, ist damit weniger eine aus dem Metal gemeint, sondern aus dem Indierock, die dem zwar bisweilen ähnelt, aber Melodien und das Mithüpfen wichtiger nimmt als das Brett – und ihm mit einer impliziten Aggression oftmals trotzdem näherkommt als mancher Metal.
Wenn nur die Produktion besser wäre. Dieses Mal verpflichteten Shihad Adam Spark von der australischen Alternative-Rock-Band Birds Of Tokyo für den Job als Colemans Nachfolger, und wo der Zampano den Industrial strukturell in den Rock einfließen ließ, klingen Shihad heute eben zu häufig nach genau Alternative Rock, wie man ihn seit den Neunzigern kennt, die ihn bei den Achtzigern klauten. Kein Wunder, dass die Vorabsingle „Feel The Fire“ genau das transportiert, hymnisch, melodiös, nach Großem greifend, den Mainstream bedienend. Doch gottlob steht dieser Song nicht repräsentativ für das Album, das wäre ein Rückfall in mittelmäßige Anbieder-Zeiten wie „Pacifier“ oder „Beautiful Machine“, und das will doch keiner.
Doch man hätte die Gitarren ruhig anrauhen dürfen. Da sind die Riffs schon wuchtig, und dann wollen die Gitarren sie nicht mittragen. Als hätte man einen Schleier um das Metall gewickelt, anstatt es mit der Drahtbürste zu bearbeiten. Man hört doch, dass Shihad wütend sind auf die „Old Gods“, die sie textlich umstürzen sowie auf dem Cover von Graffiti-Sprayern bearbeiten lassen, hier James Cook, allerdings die Statue in Victoria, British Columbia, Canada, nicht in Christchurch. Das Potential ist da; wie ihre eigenen alten Götter Killing Joke es mit dem letzten Album „Pylon“ vollführten, könnten Shihad „Old Gods“ ja in einigen Jahren ebenfalls nachproduziert neu herausbringen.
Ungewöhnlicherweise gibt es „Old Gods“ nicht als Limited Edition mit Bonus-Zeug, wie beinahe sämtliche Alben zuvor. Ebenso bedauerlich ist, dass die Band trotz anfänglicher Touren außerhalb Neuseelands mit etwa Faith No More seit Jahren keinen Vertrieb jenseits Ozeaniens mehr hat, man also auch „Old Gods“ teuer importieren muss, noch teurer sogar als bis vor einem halben Jahr, seitdem die EUSt-Freigrenze von 22 Euro weggefallen ist und sich die Paketverschlamper-DHL für jedes Mal Kleinstbeträge-Auslegen satte sechs Euro auszahlen lässt. Der Sammler schluckt kurz und bestellt dann doch, und Shihad sind es wert.