Von Matthias Bosenick (03.08.2021)
Wenn schon Studio-Comeback, dann gleich mit Livealbum hinterher: Für die Quasi-Reunion seines Experimentalmetalbrockens Mr. Bungle verpflichtete Mike Patton Kumpels aus verlässlichen Metalbackgrounds (Anthrax, Slayer), mit denen er sich coronabedingt nun in ein Studio stellte, diverse Stücke live einprügelte und das Ganze live streamte. Man möchte glauben, dass hier Bock auf Mucke über Gewinnsucht steht, doch liegt nicht jeder Reaktivierung historischer Bandnamen eine Gewinnabsicht inne? Wie dem auch sei, das punkinfizierte oldschool-thrashige Geknüppel auf „The Night They Came Home“ ist mehr als amtlich. Und die DVD dazu eine Sternstunde der Kleinkunstbühne. Äh.
Man vergegenwärtige sich lediglich die Zusammensetzung dieser Ausgabe von Mr. Bungle, in alphabetischer Reihenfolge: Trevor Dunn, Scott Ian, Dave Lombardo, Mike Patton, Trey Spruance. Allesamt also Fachleute in Sachen feinsten Thrash-Metals. Und Humors, und das unterscheidet Mr. Bungle seit jeher von anderen Krachmachern, das Sich-nicht-ernst-Nehmen, das Mucke-aus-Bock-Machen, das launige Guck-mal-so-klingt-das-wenn-ich-so-mache-Machen. Der dabei entstehende Metal ist dabei authentischer als vieles, was man ansonsten als authentischen Metal untergeschoben bekommt. Hier künstelt niemand, das ist bereits Kunst. Und wer Patton kennt, weiß, dass es für ihn keine Grenze zwischen Slayer und den Bee Gees gibt; das selbstbetitelte offizielle 1991er-Debüt von Mr. Bungle hatte seinerzeit auf abenteuerliche Weise, zappaesk mithin, eine gigantische Breite an Stilen mit metallischer Härte vermengt. Was auf dem Comeback indes ausblieb.
Für diesen Corona-Livestream bediente sich das Quintett hauptsächlich bei der kurz zuvor veröffentlichten Neuinterpretation des ersten 1986er-Demotapes von Mr. Bungle, „The Rage Of The Easter Bunny Demo“, also den Stücken, die man bereits 2020 gemeinsam eingespielt hatte und die also einigermaßen gut sitzen. Und wie gut! An dieser Performance gibt es nichts zu beanstanden, die in die Jahre gekommenen Vollprofis schütteln das Gebolze aus dem Eimer, als wären sie knackige Twens. Und weil Gemoste allein nicht ganz so lustig ist, gibt’s unterhaltsame Intros und Intermissionen, ganz im Geiste des Mike Patton.
Einen Blick noch weiter zurück in die Vergangenheit wirft Mr. Bungle gleich mit dem Intro, nämlich dem Song „Won’t You Be My Neighbour?“ von TV-Moderator Fred Rogers, der über drei Jahrzehnte US-amerikanische Vorschulkinder mit seiner Show „Mr Rogers’ Neighbourhood“ infotainte (und dem Tom Hanks vor zwei Jahren in einem Biopic darstellte). Nach kurzer folgender Mosh-Dauer kombiniert das Quintett alsbald Slayers „Hell Awaits“ mit dem Hit „Summer Breeze“, den das Duo Seels And Crofts Mitte der Siebziger als Softpopsong in die US-Charts beförderte und dem Type O Negative 1993 einen gruftrockigen Anstrich verliehen. Die Version von Mr. Bungle ist selbstredend näher am Original. Weitere Coversongs sind „World Up My Ass“ von den Circle Jerks und „Loss Of Control“ von Van Halen. Der Rest besteht nahezu vollständig aus dem „Easter Bunny“, inklusive der Vorausahnung von „Love Is A Fist“ in „Methemetics“ sowie „La Cucaracha“ inmitten der spanischen Version von S.O.D.s „Speak English Or Die“, hier natürlich „Habla Español O Muere“. Die experimentelle Tiefe des Album-Debüts hingegen hat auch dieser Auftritt nicht, dafür aber volles Brett Spaß an Metal voll in die Fresse. Überzeugender als beim Nachwuchs.
Die CD beinhaltet lediglich die Musik, das ist gut so, denn das vereinfacht das Durchhören. Interessanterweise hört man das Live-Ding nicht wirklich heraus, nicht nur, weil der Sound echt mal fett ist, sondern, weil die fünf Veteranen so tight spielen, als wären Tempo und Komplexität dieser Art für sie ein nicht trainingsbedürftiger Alltag. Der Stream nun zeigt eine Performance mit Schauspielern und Obskuritäten wie auf einem hundert Jahre alten Jahrmarkt, mit denen die Setlist immer wieder Unterbrechungen findet, in denen wiederum die Musiker ganz offenbar zu Atem kommen können. Somit ergibt die CD natürlich ein verzerrtes Bild dieser verzerrten Performance, was am Spaß an der Sachen nichts ändert. Und weil Mr. Bungle solche Humorbolzen sind, gibt’s den Gig auch auf VHS-Kassette.
Und „Eracist“ kriegt man immer noch nicht nie wieder aus dem Kopf.