Von Matthias Bosenick (05.05.2021)
Die Serben beherrschen die Folklore – und zwar die des Metal: Umgedrehtes Kreuz im Logo, mangelnde Gottesfürchtigkeit und gesteigerte Feuerverehrung in den Texten und Titeln, alles dabei. „Psychosis“ ist das sechste Studioalbum in knapp 20 Jahren, und es brettert bestens ausproduziert herum. In nicht einmal einer halben Stunde ist alles gesagt, was das Quartett aus Jagodina (Јагодина) in Sachen Death und Thrash zu sagen hat. Danach muss man auch erstmal ordentlich durchatmen, den Nacken massieren und die Restfrisur neu justieren.
Sieht man sich die Interviewvideos mit der Band an, bekommt man es mit fröhlichen und sympathischen Menschen zu tun, doch sobald die vier Jungs den Kickstarter ihres Bandvehikels treten und am Gas drehen, wandeln sie sich zu menschenverachtenden Berserkern. Infest ist eine Show mit Vergnügen, eine Band, die weiß, was sie tut, was der Metal erwartet, womit sich ein genretypisches Feuerwerk entzünden lässt, wie man überhaupt die Hütte abfackelt. Und Infest kennen keine Scheu, alle Erwartungen zu erfüllen – mit dem Effekt, dass dem Hörenden das Grinsen nur umso breiter im Gesicht steht. So muss das sein!
Drei kurze Sampletracks leiten das Album ein, unterbrechen es und führen aus der Platte wieder heraus. Dazwischen kracht’s. Man hört, dass die Serben in Sachen Produktion einige Schippen zur Hand hatten, denn das Brett ist glänzend aufpoliert. Hier bekommt der Untergrund einen erhellenden Schimmer, der Keller ordentlich Oberlicht. Technisch sind die vier einwandfrei, sie poltern drauflos, als würden sie sich selbst noch während der Tracks überholen wollen, und verfallen gern auch mal vom übelsten vertrackten Gebolze über heavy Mithüpfthrash in hymnische epische Posen. Und die Tracks bergen eine Wiedererkennbarkeit, dass man sie noch mit sich herumträgt, wenn die 27 Minuten des Albums längst vorbei sind.
Zum Beispiel „Hail Fire, Hail Death“: Da stecken Mitsingfaktor und eine thematische Gesamtübersicht in einem Song. Für diesen holten sich Infest zur Verstärkung Igor Miladinović (Chaosium, Evolucija, Alister; der Schachgroßmeister ist noch jemand anders). Nicht der einzige Gast auf diesem Album, Ross Dolan und Robert Vigna von Immolation aus New York sind in „The Last Cremation“ zu hören. Das Cover – stilecht mit Pentagramm, Ziegenschädel und grimmigem Monster – gestaltete der italienische Künstler Roberto Toderico, musikalisch selbst der Szene entstammend und als Designer in der Szene zigfach gefragt, unter anderem von Sodom.
Von der Urbesetzung der Band ist heute nur noch Sänger und Gitarrist Vandal dabei. Der spielt parallel unter seinem Klarnamen Zoran Sokolović bei Гавранови, einem mittelalterlich geprägten Quintett, und war Mitglied bei Bane (Black Metal, nicht Hardcore) und Decrepancy. Seit 2008 und damit den frühesten Veröffentlichungen dabei ist Schlagzeuger Zombie alias Zoran Dragojević (Зоран Драгојевић), dessen Projektliste Rahmen sprengt; Simargal, Деца Апокалипсе sowie ebenfalls Bane seien exemplarisch aufgelistet. 2010 folgte Gitarrist Tyrant alias Daniel Prishing von der Band Soul In Cage. Von Deathonation und Frozen Moonlight kam als jüngstes Mitglied 2019 Bassist Storm alias Rodoljub Raičković dazu. Der übernahm bei seinem Einstieg auch gleich die Produktion von „Psychosis“, während der alte Schwede Dan Swanö das Album masterte. Den Job machten die beiden hörbar gut, „Psychosis“ besticht als Brett in bester Vader-Tradition.