Von Matthias Bosenick (08.04.2021)
Einst der zweitwichtigste kreative Sidekick von Anne Clark nach David Harrow und selbständig mit etwas altbackenem Crossover unterwegs – und heute? Rainer von Vielen alias Rainer Hartmann sattelt um auf die Sorte Ambient, die sich im Aufbau bei den Theorien von Hans Cousto bedient und heilende Wirkung ausstrahlen will. Unter dem neuen Pseudonym Oriom veröffentlicht er aus Ausgleich für Konzertabsagen sein elektronisch basiertes Debüt, auf dem er selbstredend auch mit Kehlkopf- und Obertonstimme arbeitet, wie man es von ihm kennt. Der Kenner weiß indes auch, dass Hartmann bereits mit dem Projekt Orange in verwandten Gefilden unterwegs ist, nur nicht so elektronisch. Also, auf ins All-Gäu!
Das Epische liegt in der Natur der Sache. Sechs Stücke in 77 Minuten, der Mann lässt sich zeit, seine Musik wirken zu lassen, denn genau das soll sie auch, wie man unter anderem dem Titel entnimmt: Hartmann bedient sich bei Coustos Kosmischer Oktave, derzufolge sich Frequenzen von etwa Planetenrotationen auf jede andere Frequenz umrechnen lassen, etwa Tonhöhen oder Farben. So stimmt Hartmann jedes Stück nach einem anderen Planeten oder Gestirn unseres Sonnensystems.
Auf seiner Reise variiert Hartmann die Stücke in sich nicht, sondern ist darauf bedacht, dass sie eine angenommene Entspannung oder Yogaübung des Hörenden auch ungestört ermöglichen. Deshalb legt er seine Energie nicht in Eruptionen, sondern in Details, die man als bewusst Hörender wahrnimmt und sich an ihnen erfreut; vorrangig, indem er mit seiner Stimme arbeitet, eben mit Kehlkopf- oder Obertongesang, den er nicht über die Musik legt, sondern ihn in sie einwebt, zweckdienlich, unaufdringlich.
Seine Musik erzeugt Hartmann überwiegend elektronisch, man fühlt sich bisweilen an Popsounds erinnert, die man von früher aus dem Radio kennt, nur ohne eine Liedstruktur; da arbeitet er vielmehr mit repetetiven Melodiefragmenten. Manche Instrumente klingen fernöstlich, eine Sitar etwa, andere Stücke tragen einen Reggae-Rhythmus. Die Tracks des Albums gestaltet er abwechslungsreich, jeder Planet, jedes Gestirn bekommt einen eigenen Sound. Er lässt sogar unterschiedlich ausgeprägte Beats zu, und auch mit ihnen unterbricht er keine Traumreise, sondern beflügelt sie, und ermöglicht gleichsam, dass man sich in die Stücke auch eingrooven kann, zu ihnen milde abhotten mithin. Die klassische Ambient-Trance also.
Dieses Debüt fasst der Mann aus Kempten als Ausgleich dafür auf, dass er mit seiner Band Orange der Viruslage geschuldet nicht auf Konzerttour gehen kann. Per Crowdfunding finanzierte er „Healing Source“ und veröffentlicht es über Klangwirkstoff Records, und dessen Betreiber freut sich, dass die LP-Version das erste Vinyl in der Labelgeschichte sein wird. Vorab gab es den ersten Track als „Mars Minarett“-EP mit zwei Remixen, von denen einen ebenjener Labelchef unter seinem Alias B. Ashra beisteuerte.