The Perc Meets The Incredible Lovegodz – Live in Bamberg ’95 – Sireena 2021

Von Matthias Bosenick (22.03.2021)

Aus dem Hidden Gentleman wurden die Incredible Lovegodz, und bei denen handelt es sich um verdiente Musiker der deutschen Indieszene: Neben Bandkopf Tom „The Perc“ Redecker und seinen Allzeitbuddys Harry Payuta und Jochen Schoberth waren dies Alexander Popp von Artwork sowie Thorsten „Walt“ Bender, damals Mitglied der Band von Ax Genrich. Das vorliegende Liveset bedient sich weniger beim Anlass, The Percs Solodebüt „Woldlooker“, als vielmehr bei seiner vorherigen Band mit The Hidden Gentleman. Man hört ein Quintett, das seine Spielfreude zwischen Song und Experiment auszudrücken weiß.

An dem Studioalbum „Worldlooker“ waren Payuta mit Bass und Didgeridoo sowie Gitarrist Schoberth schon beteiligt, deshalb waren sie für die Liveumsetzung quasi gesetzt. Schoberth brachte seinen Artwork-Keyboarder Popp mit, mit dem er zudem ausgiebig im Universum von Oswald Henke in Erscheinung trat (Erblast, Henke, Goethes Erben), und Redecker tat Schlagzeuger Bender auf, der auf Platten von Ax Genrich (Ex-Guru Guru) und Stefan Stoppok zu hören ist. Hochkaräter mithin, da wundert es nicht, dass sich das auf die gemeinsame Tour übertrug. Nur ein Jahr später entwickelte sich aus dieser Runde überdies das Projekt The Electric Family, das mit Unterbrechung auch heute noch aktiv ist.

Die Handschrift des Songschreibers lässt sich nicht nur anhand der Liederauswahl recht schnell zuordnen: Man hört den Redecker einfach heraus, weil seine Melodien unkonventionell, aber eigen und typisch sind. Seine Songs leben nicht zwingend vom Rock’n’Roll, indem sie etwa heavy oder schnell sind, sondern davon, dass sie von klassischen Strukturen abweichen und auch wieder wieder zu ihnen zurückkehren. So erlangen Redeckers Stücke schnell Überlänge, besonders, wenn eine Band sie performt, die auf der Bühne Bock darauf hat, die Vorgaben nach ihren eigenen Vorstellungen umzusetzen – und den Songs der dem Gothic Rock zugeordneten The Perc Meets The Hidden Gentleman das Gothic austreiben. Man bekommt hier nicht den für die Zeit typischen Indierock der populären Mittneunziger-MTV-Art, weil die Stücke dafür viel zu experimentell sind, also eher so wie auf MTV in den Jahren davor, als die Kunst noch mehr wog als der Kommerz.

Den Mitschnitt „Live in Bamberg ‘95“ veröffentlicht Redecker als 8. Teil seiner Archivserie „Electric Kindergarten“, nachdem er ihn zufällig auf einer DAT-Kassette entdeckte. Richtige Soloalben gibt es von ihm überhaupt nur wenige, sieht man von den Compilations ab, aber an Bands und Projekten war und ist der Musiker in Vielzahl beteiligt, darunter neben den genannten auch Taras Bulba, Sun Temple Circus, Kühe im Nebel sowie – liest man die Credits der elektrischen Kindergärten genauer – Crazy Son Hybrid, Gipsy Rover und Pissrinne.

Tracklist:

01 Welcome
02 I Love The Lighthouse (von „Worldlooker”, 1995, später auch auf „Seven Miles Overground”, 7”, The Electric Family 1998)
03 This Moon Of Both Sides (von „Lavender“, The Perc Meets The Hidden Gentleman, 1991)
04 The Ghostsong (von „Worldlooker“, 1995)
05 Where The Elk Stands (von „Ages“, The Perc Meets The Hidden Gentleman, 1993)
06 Mermaid In The Rain (von „Ages“, The Perc Meets The Hidden Gentleman, 1993)
07 Plumcake Jesus Fantasy (von „Worldlooker“, 1995)
08 Hall Of Fame (von „Lavender“, The Perc Meets The Hidden Gentleman, 1991)
09 Smalltown (von „This Maid Of Delphi“, The Perc Meets The Hidden Gentleman, 1990)
10 The Lavender Cantos Part I-IV (von „Lavender“, The Perc Meets The Hidden Gentleman, 1991)