Von Matthias Bosenick (19.03.2021)
Sie hält sich einfach nicht an handelsübliche Songstrukturen, egal, ob mit dem Duo Nac/Hut Report oder wie hier auf ihrem Solo-Debüt: Die Musik von Jadwiga Taba aus Krakau folgt keinen vertrauten Strukturen, sie klingt nebulös, versponnen, ungreifbar. Nur nicht so zerhackt, wie wenn sie mit ihrem Duokollegen LM zusammenarbeitet, verglichen damit also beinahe zugänglich. Dennoch, Taba ist so eigenständig und einzigartig, wie man es 2021 kaum noch erwartet. „Sen o Czarnej Drodze“ gibt es sympathischerweise physisch nur als Kasetka.
Im Hintergrund rauscht es, die Tonhöhevariiert nur minimal. Darüber liegen Schleifgeräusche, Töne misshandelter Saiteninstrumente, Samples, Glockenspiel und -geläut, Blubbern und die gehauchte Stimme von Taba. Erkennbare Rhythmen gibt es nicht, Schlagzeug, Beats oder Percussion sind nicht Teil dieser entrückten Musik. Selbst die Stimme intoniert keine klassischen Lieder, die anhand von Strophen eine Form ergäben, sie haucht vielmehr, fügt sich ins Grundrauschen ein, erschallt wie eine arglistige Verführung in einem nebelverhangenen nächtlichen Wald, erfährt gelegentlich eine Behandlung mit der Dubmaschine.
Was die Musik dabei so berauschend macht, ist die Tatsache, dass Tabas Experimente zwar vielleicht zunächst verstören, aber nicht stören, nicht nerven, sich nicht brutal ins Gehör prügeln. Sie experimentiert behutsam, sie bewahrt sich ihre eigene Schräglage mit Samthandschuhen und ist dabei dennoch komplett kompromisslos. Beim Hören scheitert man permanent daran, dem Diktat des Geistes zu folgen und in Tabas Musik eine Ahnung von Regelmäßigkeit zu finden, und während man die Stücke auf diese Weise in sich hineinlässt, nehmen sie sich einfach den Raum in der Seele, besetzen die freien Plätze und erobern anteilig auch die belegten, wenn man gerade mit etwas anderem beschäftigt ist. Und schon ist man in diese Art von Musik verliebt. Und dann kann man dazu sogar entspannen, so ungewöhnlich das auch erscheinen mag.
Das Artwork stammt, wie auch häufig bei Nac/Hut Report, von Taba selbst, die sich daheim auch als Künstlerin betätigt. Kaum weniger unkonventionell, als sie als Musikerin in Erscheinung tritt. Ebenso die Darreichungsform: „Sen o Czarnej Drodze“ gibt es als Audiokassette, wie es derzeit wieder etwas populär ist, inklusive Downloadcode, weil ja niemand mehr ein Abspielgerät hat, aber trotzdem etwas zum Hinstellen haben möchte.