Von Matthias Bosenick (26.11.2020)
Wer sich beim Entspannen etwas gruseln möchte, liegt mit diesem Album genau richtig: Zwar orientiert sich auch Klangwirkstoff-Labelbetreiber B. Ashra bei der Erstellung seiner Musik an Hans Coustos Kosmischer Oktave, ähnlich wie auch Barnim Schultze alias Akasha Project, doch weicht das musikalische Ergebnis des Berliners erheblich von dem des Braunschweigers ab. „The Sound Of DMT“ feiert eine schamanische Droge, Ayahuasca nämlich, und das frei von Melodien, vornehmlich auf Rasseln und Samples basierend, bisweilen wohlig spooky. Der Trip ist ungewöhnlich, aber auf eine überraschende Weise einnehmend, hypnotisch.
Das Album beginnt wie eine Exkursion durch einen Urwald, aber einen, der von Wesen bewohnt ist, die man nicht kennt und von denen man nicht weiß, wie sie einem gesonnen sind, und denen man sich dennoch bereitwillig aussetzt, weil man ahnt, dass man seinen Weg unbeschadet gehen wird. Der Ort, der Raum sind fremd, aber nicht feindselig. Man betritt ihn wie eine organische Kathedrale aus Vegetation, die sich hinter einem schließt und die dunkel und undurchsichtig gehalten ist, aber offenkundig weit genug gefasst, um darin Hall entstehen zu lassen. Einzelne Details treten nur punktuell zutage, es überwiegt eine unbestimmbare Atmosphäre, lauernd, abwartend, bald doch vorantastend, gar treibend, dann wieder sich zurücknehmend. Am Ende warten der helle Tag, die freie Sicht, die Vögel des Morgens, für einen Moment, wenige Sekunden nur, entlässt einen B. Ashra wieder in die Realität.
Die punktuellen Details wechseln und wiederholen sich im Verlauf der Reise. Zunächst setzt ein indianischer Gesang ein, also ein schamanischer, um im Vokabular des Konzeptes zu bleiben. Erkennbare Rhythmen indes gibt es nicht, melodiöse Sounds ebensowenig. Es knistert und knackt, es rauscht und haucht, es dröhnt und zwitschert, Tiere scheinen sich zu ducken, Menschen müssen irgendwo zugegen sein, schließlich singt dort ja einer, und dann erklingt ein Bambuswindspiel, ein vertrauter Sound, wie man ihn von der Terrasse mancher Leute kennt, beinahe zivilisatorisch mithin, und doch lediglich eine Erinnerung an etwas aus der realen Welt inmitten dieses unvorhersehbaren Abenteuers, dieser Weltreise durch ein Traumland.
Das war die erste Viertelstunde. Im zweiten Track erneuern sich Knistern und Hall, man wähnt sich an einem Lagerfeuer in einer Höhle, dem sich im dritten Track rhythmisches Rasseln, das Windspiel und eine Klapperschlange hinzugesellen. Im vierten Track kommen Flöten und Zirpen hinzu, sowie erste zaghaft angedeutete Tonfolgen, Ambientatmosphären, die sich im Verlaufe etwas ins Unheimliche wandeln. Der fünfte Track kehrt zu Rasseln und Schamanengesang zurück und der sechste zum Bambusspiel und einem bedrohlich murmelnden rückwärts abgespielten Text – bis man aus dem Wald heraus zurück in den Alltag tritt.
Das muss ein merkwürdiges Zeug sein, dieses Ayahuasca. Dabei handelt es sich um einen Sud aus einer Liane und einem Kaffeegewächs, das Alkaloide enthält, die den Abbau eines Halluzinogens verlangsamen und somit psychedelisch wirken. Im südamerikanischen Amazonasgebiet entstanden daraus bei indigenen Völkern diverse Religionen, die längst bis in zivilisierte Welten vordrangen. Zum Beispiel nach Berlin ins Tonstudio von B. Ashra, der aus dieser halluzinogenen Droge ein psychedelisches Album macht. Referenzen finden sich überall in den Bezeichnungen: „DMT“ ist das Halluzinogen, das bei Einnahme von Ayahuasca verlangsamt abgebaut wird, voll ausgeschrieben: „N,N-Dimethyltryptamin“, gleichzeitig der Titel des ersten Tracks. Tracks zwei heißt „Yagé“, ein anderer Name für Ayahuasca. Bei „Shipibo“, Titel des dritten Tracks, handelt es sich um ein indigenes Volk in Peru, das traditionell Ayahuasca konsumiert. „Magic Forest“, so der vierte Titel, spricht für sich selbst, und bei „Ayahuasca Icaros“, Titel fünf, handelt es sich um die Bezeichnung für schamanische Gesänge. Wer oder was „Un medio“, also ein Medium, Titel des letzten Tracks, ist, behält der Künstler für sich – oder muss der Hörer nach Einnahme von Ayahuasca erfahren. Ebenso, wie nun genau sich das Molekül überhaupt in Physik und Musik niederschlägt.
Das „Ashra“ im Projektnamen ist vielen Musikhörern geläufig, nicht nur dank Ash Ra Tempel, und es bedeutet auf Hebräisch Glück. Das „B.“ wiederum steht für Bert Olke, den abgekürzten Vornamen des Künstlers, der dieses Projekt ausfüllt und zudem einer der Betreiber von Klangwirkstoff Records sowie Produzent und DJ ist. Gelegentlich tritt er auch als Robert Templa oder auch Hackbert in Erscheinung. Für das vorliegende Album rechnete er das Molekül halluzinogene DMT gemäß der Kosmischen Oktave um und transferierte es in den hörbaren Bereich. Um den besten Effekt zu erzielen, empfiehlt der Künstler ein unterbrechungsfreies Hören; da nicht jede Plattform dieses Anbietet, gibt es das einstündige Album bei Bandcamp als One-Track-Bonus. Und je öfter man sich in diesem schamanischen Urwald aufhält, desto weniger spooky erscheint er einem. Man kann dazu entspannen, mit jedem Hören mehr. Der spaßmachende Soundtrack zu einem spaßmachenden Kopfkino.