Von Matthias Bosenick (13.09.2020)
Didgeridoo. Das bestimmende Instrument in diesem Slomo-Industrial-Track ist das Didgeridoo. Wer das heraushören kann, verdient ein Indisches Harmonium. Das ist nämlich das zweitwichtigste Instrument auf „On The Day The Earth Went Mad“, dem ersten Lebenszeichen des Projektes Black & Red, zu dem sich Killing-Joke-Chef Jaz Coleman und der tschechische Didgeridoo-Held Ondřej Smeykal bereits 2009 zusammenschlossen. Auf einer roten 10“ beklagen sie kraftvoll, eingängig, schleppend, brachial und, äh, warm den Niedergang der Gesellschaft. Und das soll nur der Auftakt zu einem Album sein. Das ist nach diesem überwältigenden Start nur schwer abzuwarten.
Es brummt und dröhnt, kaum mehr als zwei Noten können das sein, die Smeykal da mit seinem Didgeridoo durch den Verzerrer jagt. Was am anderen Ende herauskommt, trägt nicht einmal mehr die Erinnerung an das australische Instrument. Es klingt vielmehr nach altem Industrial, Rhythmen, die an Stakkato-E-Gitarren erinnern, mit einer Zweitonmelodie, darüber das Indische Harmonium als warmer Atmosphärengeber. Die schleppenden Beats tragen ebenso den Fuzz der Verzerrung in sich. Man könnte an „At The Heart Of It All“ denken, das Aphex Twin einmal für ein Remix-Album der Nine Inch Nails kreierte. Gewalt muss nicht schnell sein, sagen ja auch die Melvins.
Dazu dräut Jaz Coleman in einer ebenso reduzierten Melodie, nämlich aus kaum mehr als einem Ton bestehend, und schildert sein bekanntes Bild von der Welt. Das bei aller Zustimmung auch diverse Merkwürdigkeiten einschließt, die man aufgeklärt ins Reich der Verschwörungen abtun mag. Das parallel veröffentlichte Video untermauert solche Eindrücke; man fragt sich etwa: Zeigt es die Sendemasten, um 5G als Teil der Verrücktwerdung der Erde zu entlarven, oder empfindet er diejenigen, die sich gegen 5G auflehnen, als verrückt? Oder steuert die Kritik vielmehr in Richtung Überwachung – oder etwas ganz Anderes?
Und überhaupt, der Titel: Kann man die Verrücktwerdung wirklich an einem einzelnen Tag festmachen? Und warum Earth, also der Planet, und nicht World, also die Gesellschaft, die Menschheit? Die Erde kann nix für das Verrückte, das auf ihr geschieht. Das wiederum kann reine Poesie sein, denn die beherrscht der durchgeknallte Zampano mit dem Blick aufs Okkulte und den zugegebenermaßen vielfältig nachvollziehbaren Ansichten ja bekanntlich ebenfalls. Schön ist das alles jedenfalls nicht, worauf das Duo da mit seinen Fingern deutet, aber es klingt ausgesprochen gut.
Interessanterweise trafen sich Coleman und Smeykal 2009 in Australien, um dann festzustellen, dass sie in Prag quasi Nachbarn sind. Zusätzlich zur Musik soll Black & Red auch Colemans Projekt über das Elektromagnetische Erdnetz repräsentieren, so viel dazu. Was sie aber musikalisch aus den Gerätschaften zerren, ist unübertroffen grandios und jedes Ohr wert. Schade nur, dass sie für die 10“-B-Seite lediglich auf die Instrumentalversion zurückgreifen, dabei hätten sie mit Youth einen naheliegenden Remixer an der Hand. Die Neuversion der ersten Killing-Joke-Single „Turn To Red“, die parallel auf Vinyl erscheint, geht ja auch auf sein Konto. Wie dem auch sei, der Track – über sieben Minuten lang übrigens – ist geil und das Album kaum zu erwarten. Einen Download-Code gibt es leider nicht.