Von Matthias Bosenick (22.06.2020)
Daniel Bressanutti, der alte Scherzkeks! Packt mal eben einen Haufen analoger Geräuscherzeuger aus, knotet deren Kabel zusammen und schneidet eine Dreiviertelstunde lang mit, was für Geräusche dabei entstehen. Noch ein Scherz: Das Album hat nur einen Track, aber der heißt nicht wie das Album, das wiederum lediglich nach der Tracklänge benannt ist: „44.44.44“. Nach EBM oder Front 242 klingt das hier alles nicht, hier bekommt man Drone, düsteren Ambient, manchmal mehrstimmig, mit gelegentlich wechselnden Tonhöhen, aber keine Rhythmen, keine Melodien. Tanzen kann man dazu zwangsläufig nicht, und wer dazu einschlafen kann, hat mindestens eine höhere Bewusstseinsebene erreicht.
Es dröhnt. Es dröhnt ein zweiter Apparat dazu. Die Tonhöhe des ersten Apparats verändert sich. Möglicherweise ist das da im Hintergrund ein dritter Apparat, der ein Geräusch von sich gibt, während nun der erste die Tonhöhe variiert. Harmonisch passend, gar Akkorde ergebend sind diese Töne nicht, zudem verzerrt, rauschend, schnarrend. Veränderungen finden statt, selbstredend, so einfach macht es sich Bressanutti nicht, dass er da wirklich nur die Gerätschaften einschaltet und wie bei einem Versuchsaufbau die Ergebnisse protokolliert. Er schraubt und dreht wohl schon daran herum und beeinflusst so das Produkt. Bis es sich einem abstürzenden Flugzeug gleich in die Stille entlädt.
Dabei lässt sich Bressanutti sogar über die Schulter gucken: Er verwendet laut eigener Angabe einen Radikal RT-311 als Oszillator, ein endorphin.es Grand Terminal als Filter, zwei Klavis Twin Waves als vier LFOs sowie ein Strymon Magneto für Delay und Echo. Das dürfte für die meisten – den Rezensenten eingeschlossen – zwar wenig aufschlussreich sein, beinhaltet aber die Auskunft, dass Bressanutti diese Sounds eben nicht einfach mit ein paar Klicks am Computer zusammenfügt. Hier steckt eine Arbeit drin, für die man früher noch mühsam den Fernseher bis nach Sendeschluss laufen lassen musste. Okay, das war frech, und es ist mitnichten so, dass „44.44.44“ unhörbar oder langweilig ist.
Denn darin steckt die Kunst, Dissonanz und Arhythmik so anzuordnen, dass dabei weder abschreckender Stress noch einlullende Gefälligkeit entstehen. Der EBM-Miterfinder dürfte bei dieser Arbeit eine Menge Spaß gehabt haben, und das mag man auch heraushören. Wer ihn und seine Arbeit kennt , weiß auch, dass dem wohl auch so ist. Nicht zuletzt in den kryptischen Titeln offenbart sich das: Dieser lautet „CHZWaar+eufelKreisKarma“. Wohl bekommt’s.
Das Album gibt es strengstens limitiert als CD, mit nur 300 geplanten Einheiten, und natürlich als Download. Schnellbesteller bekommen noch die schöne Compilation „Under Construction 2“ dazu, mit einem Best-Of des Labelprogramms von db2fluctuation. Darunter mit „Making Memories“ einen Track vom zweiten Dream-Invasion-Album in 15 Jahren, dem Soloprojekt von Erwin Jadot, Gründungsmitglied von Nothing But Noise, einem weiteren Projekt von Bressanutti. Der zudem noch ein Livealbum in der Pipeline hat, der Vielbastler!