Von Matthias
Bosenick (23.01.2020)
Das fehlte gerade noch: Enid Blytons
„Fünf Freunde“ als Comic sind tatsächlich eine Neuheit in der
Darstellungsform dieser Jugendbuchreihe. Leider raubt das
Zeichnergespann Béja & Nataël der Ausgangsgeschichte die
Atmosphäre, verkürzt sie sinnlos, ändert auch noch
Handlungsdetails und fügt einen plumpen, unlustigen Humor hinzu. Die
Zeichnungen sind mehrheitlich akzeptabel, im klassischen
frankobelgischen Funny-Stil und mit Blick auf den
Veröffentlichungszeitraum der Urgeschichte auch recht zeitgemäß.
Und doch, dieser Auftakt ist eine Enttäuschung – und hat trotzdem
bereits zwei Fortsetzungen.
Vermutlich hätte sich ein Hergé gefreut, dass die „Fünf Freunde“ im 21. Jahrhundert so aussehen wie kurz nach der Zeit, als er seinen „Tintin“ und Enid Blyton die titelgebende Abenteuerbande erfand: er 1929, sie 1942. Das ist die größte Leistung von Béja & Nataël, dass sie die „Fünf Freunde“ nicht in die Gegenwart verpflanzen, sondern sich zeichnerisch an die Vierziger halten. Nun wurde die Serie bereits diverse Male visualisiert, etwa 1987 und 1995 als TV-Serie sowie ab 2012 auch fürs Kino, doch geben die Zeichner den Figuren eigene Gesichter. Und Charakterzüge, die sich nicht immer mit denen der Bücher decken und die gern zu haben dem Lesenden daher bisweilen schwerfallen.
Das ist nicht die einzige Hürde, die diese Comicform bietet. Da die Seitenzahl um die Hälfte geringer ist als bei vergleichbaren Arbeiten (und die Bücher zudem kleiner sind), mussten Béja & Nataël auch die Handlung ausdünnen. Viele Entwicklungen geschehen daher sprunghaft und ohne Vorkenntnisse schwer nachvollziehbar. Dadurch stellt sich auch nicht die Atmosphäre ein, die die Geschichten der „Fünf Freunde“ bei Enid Blyton eigentlich haben. Nicht nur die Bücher: Besonders die Umsetzungen bis Anfang der Achtziger bergen eigene wohlige Stimmungen, so die britische TV-Serie, mit deren Synchronsprecherriege das Label Europa gleichzeitig die warmherzige Hörspielserie erarbeitete. Beide Serienvarianten tragen eigene Stimmungen; die TV-Gesichter verbindet man beim Hören der Hörspiele direkt mit den Figuren. So treffend waren die Besetzungen später nie wieder, und auch in diesem Comic wirken die Figuren eher beliebig, man kommt ihnen nicht nahe. Ebenso Timmy, der Hund, der hier ein rostroter Foxterrier zu sein scheint. Auch hieran leidet die Atmosphäre.
Wenigstens übernahm die Übersetzung nicht die Eindeutschungen der alten Bücher, als Julian, Dick, Anne und George noch Julius, Richard, Anne und Georg hießen, ganz abgesehen davon, dass Cornwall dort irgendwo in Deutschland zu liegen schien. Die alte Diskussion um die Rollenklischees, die Blyton wahlweise fütterte oder konterkarierte, soll hier gar nicht zum Tragen kommen, wenngleich es da bei der Umsetzung sehr wohl etwas zu bemäkeln gäbe, aber da ist man wohl vermeintlich vorlagentreu. Schließlich fallen auch hier Rollenklischees bedienende Sprüche, und wie auch die anderen vermeintlichen Gags sind sie nicht lustig.
Der Comic eignet sich also nicht dazu, die Serie für sich neu zu entdecken, da sollte man wirklich zu den genannten Varianten greifen, wenn nicht gleich zu Blytons Büchern. Wer die wiederum kennt, bekommt höchstens eine Erinnerung an die Geschichte im Schnelldurchlauf, aber ohne Seele. Ach ja, die Geschichte: Georgina, genannt George, und ihr Hund Timmy bekommen Ferienbesuch von ihren Cousins Julian und Dick sowie deren Schwester Anne. George gehört eine Insel, die ihr Vater jedoch an einen zwielichtigen Mann verkauft – der doch nur auf einen dreihundert Jahre alten Schmugglerschatz aus ist, den er in dem Burgverlies auf der Insel vermutet. Ein plötzlich im Wortsinne auftauchendes Schiff, geheimnisvolle Gänge, abenteuerliche Fluchten: Die Geschichte bildert vor sich hin, immerhin hübsch anzusehen, aber blutleer erzählt. Eine vergebene Chance, leider.