Von Matthias Bosenick (04.10.2019)
Von wegen, am sonnenbegünstigten Mittelmeer wäre jede Musik sofort hedonistisch! Mikis Theodorakis (Μίκης Θεοδωράκης) ist so eine Art Griechischer Heiliger, und wie sehr dieser Künstler die Melancholie auslebt, veranschaulicht die Ex-Braunschweigerin mit griechischen Wurzeln Alkmini Laucke Metallinou auf ihrem Solo-Debüt. Die Mezzosopranistin lässt sich von ihrem langjährigen künstlerischen Partner Holger Becker am Piano begleiten, und wie schon unter dem kabarettistischen Alias „Die Vorhanggucker“ passt diese Kombination wunderbar. Zumeist reduziert lässt Becker der Stimme den Vorzug, verbirgt sein ausuferndes Können aber nicht vollends. Das Album ist Musik für den Rotwein am Abend, sagt die Sängerin, und das stimmt wohl.
Die
ausgelassene Party feiert man mit den „Songs Of Mikis Theodorakis“
jedenfalls nicht, vielmehr ist das Album ein Angebot zur Besinnung,
zur Einkehr. Wenn das Tagewerk vollzogen ist und die Nachtruhe noch
nicht ganz ansteht, findet man darin Begleitung für dieses
Zwischenstadium. Melancholie ist zwar die überwiegende Stimmung,
aber nicht die ausschließliche. Alkmini Laucke Metallinou
unterstreicht die Schwermut mit ihrem klaren Gesang, der
Zerbrechlichkeit ebenso transportiert wie Lebensfreude, und beides
existiert nun in der Melancholie nebeneinander. Trägt Laucke
Metallinou ein schweres Stück mit dunklem Ton vor, erhebt sie schon
im nächsten, leichteren wieder die Stimme.
Im gleichen
Tonfall nun untermalt Becker diese Lieder. Sein Pianospiel ist
reduziert und dezent, er gibt Harmonien und Rhythmen vor, auf denen
Laucke Metallinous Gesang schwebt. In dieser Reduziertheit liegt
Können, und Becker kann noch weit mehr mehr, er weiß mit seinem
Piano Meere zu erwecken, und auch dies lässt die Auswahl der Stücke
zu, denn im Verlauf erhebt sich die Seele und mehr Freude und Energie
strahlen heraus, da darf auch Becker seine Musik bewegen.
Und
doch, das Dunkle überwiegt. Laucke Metallinou lässt das Album mit
einem auf Deutsch vorgetragenen Stück enden, „Vater“, in dieser
Version 1978 von Milva zuerst veröffentlicht; die letzten Zeilen
lauten: „Ob mir auch dies‘ Schicksal droht? Dann und wann denk‘ ich
voller Angst: dann lieber tot.“ Nun, Hedonismus geht anders. Dieses
Stück verdeutlicht zudem, dass die Theodorakis-Lieder in der
Originalsprache gesungen am besten klingen, auch wenn man sie
womöglich nicht versteht: Die Worte wirken weicher, besser in die
Musik eingebettet.
Wie vielen hochrangigen Künstlern aus
dem Europäischen Ausland erfuhr auch Mikis Theodorakis vor rund 50
Jahren das Schicksal, auf Deutsch dem Schlager zugeordnet und damit
quasi deklassiert zu werden; zu Unrecht selbstredend, und in dieses
Lied stimmen etwa Nana Mouskouri, Mireille Mathieu und Lena Valaitis
ein. Trotzdem sind einem die Lieder auf diesem Album nicht unbedingt
vertraut, bis auf das zweite, „Arnisi (Sto Perigiali)/Άρνηση
(Στο περιγιάλι το κρυφό)“, das man als
„Zusammenleben“ von Milva aus dem Jahre 1978 in Erinnerung
hat.
Nun schwingt ja beim Thema Theodorakis und
Griechische Folklore schnell der Sirtaki mit, den der Komponist ja
nicht nur in Deutschland via „Alexis Sorbas“ selbst als
irreführendes Identifikationsmerkmal implantierte, doch davon ist
auf „Songs Of Mikis Theodorakis“ nichts zu hören. Als Schlager
sind die Stücke auch nicht auszumachen: Laucke Metallinou und Becker
machen klassisch ausgebildete kunstvolle Kultur, zu der man auch ohne
entsprechende Vorbildung einen Zugang findet. Gut gemacht, mehrfache
Ex-Kollegin!