The Dead Don’t Die – Jim Jarmusch – USA 2019

Von Matthias Bosenick (14.06.2019)

Der Schuss ging nach hinten los. Anders als bei „Dead Man“ und „Only Lovers Left Alive“ gelingt es Jim Jarmusch mit „The Dead Don’t Die“ nicht, ein Genre in seinem Sinne umzukrempeln. Western und Vampirfilm funktionierten bei ihm deshalb so gut, weil er etwas Eigenes daraus machte; den Zombiefilm übernimmt er mit eigenem Tempo und einigen eigenen Dialogideen, lässt ihn aber ansonsten zu sehr im Genre verhaftet und bleibt bei der Umsetzung seiner spärlichen Traditionsbrüche inkonsequent. Nach „The Limits Of Control“ ist dies sein zweiter mittelschlechter Film – was die erheblich gigantische Ausbeute an hochgradig guten Filmen zum Glück nicht allzusehr beeinträchtigt.

Man glaubt, Jarmuschs Intention wahrnehmen zu können: Ein Rudel seiner Lieblingsschauspieler zusammentrommeln, um einmal einen etwas anderen Zombiefilm zu drehen, der die Klassiker dennoch fest im Blick hat. Doch dabei verzettelt er sich: Das Eigene zieht er nicht konsequent genug durch und bleibt letztlich bei Stereotypen hängen. Um es mit einem anderen Kinobesucher zu sagen: Hier kommen weder Zombiefilmfans noch Jim-Jarmusch-Fans auf ihre Kosten.

Zunächst führt Jarmusch das Personal seiner US-Kleinst-Stadt mitten im tiefsten Wald ein, das bis auf wenige Striche keine nennenswerten Charakterzüge aufweist: Ein stoisches Polizeiteam, ein rassistischer Farmer, ein obskurer Einsiedler, ein schwarzer Kaufmann, ein Comicladennerd, zwei Dinerbedienungen, ein Paketzusteller, ein schmieriger Motelier, eine undurchsichtige fremde Bestatterin, dazu drei Teens in einem Heim sowie drei Jugendliche aus der nächstgrößeren Stadt auf der Durchreise. Kein Pfarrer, kein Wissenschaftler, kein Reporter, übrigens. Damit sind die Charaktere auch schon festgelegt, es gibt keine weitere Tiefe und auch kaum erhellende Dialoge. Die meisten belaufen sich auf immerhin grandiosen Zynismus oder auf Running Gags, die sich enervierend schnell abnutzen. Und die Geschichten versanden einfach im Nichts oder enden substanzlos im Tod.

Wie man es richtig macht, zeigen diverse Kollegen: In „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ führt Martin McDonagh die Figuren ebenfalls als Stereotype ein, bricht aber fortwährend mit ihnen und damit mit den Erwartungen des Publikums, überrascht mit jeder Wendung und bleibt doch immer nachvollziehbar. Quentin Tarantino und die Coen-Brüder adaptierten ebenfalls diverse Male das Genrekino und transferierten es zu etwas komplett Eigenem. Ins Nichts führende Spuren etwa gibt es mit dem Mc-Guffin-Koffer in „No Country For Old Men“ gelungen umgesetzt, da ist das Objekt der Begierde nach zwei Dritteln des Films komplett aus dem Inhalt verschwunden und fehlt doch keine Sekunde lang. Hier ist das Auftreten diverser Figuren nicht einmal reiner Selbstzweck, sondern gar keiner. Die drei eigentlich sogar sympathischen „Hipster“, die drei eingesperrten Kids und die sich wenig überraschend entwickelnde Bestatterin haben die zunächst vielversprechendsten Nebenrollen, aber keinerlei Auswirkung auf den Plot. Storyless stories.

Für das Auftreten der Zombies führt Jarmusch eine Erdachsenverschiebung aufgrund von Pol-Fracking ein, das laut wiederholt eingespielter Nachrichten sowohl von den Unternehmen als auch von der Regierung als ungefährlich eingestuft wird; das ist Systemkritik für Dummies, ebenfalls die Szene mit den Zombies, die mit leuchtenden Smartphones in den Händen nach Wifi suchen. Natürlich greift Jarmusch zudem immer wieder Elemente des Zombiefilmerfinders George A. Romero auf, zitiert diese aber eher plump und zuletzt sogar überflüssigerweise wie eine Art nachgeschobene Sinngebung, indem plötzlich platte Konsumkritik ertönt. Tatsächlich, dafür stehen also Zombies! Wir alle sind Zombies! Wer hätte das gedacht.

Und dann die CGI-Effekte: Die sind so schlecht, dass man sich fragt, ob das Absicht ist, und dann zu dem Schluss kommt, dass das nicht sein kann, weil Jarmusch dann auch damit nicht konsequent gewesen wäre: Aus den abgeschlagenen Köpfen und den Rümpfen dringt so etwas wie schwarzer Ascherauch, oftmals jedoch leicht versetzt und schlecht transparent animiert. Wenn schon kein Budget, dann sollte man Effekte lieber erkennbar bewusst auf schlecht machen, wie Michel Gondry oder Tarantino. Überhaupt ist auch filmisch Jarmuschs Handschrift kaum wahrzunehmen, bis auf die warmen Polizeiautofahrten hätte jeder diese Bilder schießen können.

Man hat dennoch viel zu lachen, das bleibt auf der Habenseite, inklusive einer „Star Wars“-Referenz bei Adam Driver, jedoch vergeht es einem mit der Zeit, weil sogar manche Gags bald vorhersehbar sind, insbesondere die auf der beim ersten Mal noch grandios eingesetzten Metaebene sowie die rund um Identität der Bestatterin. Ansonsten herrscht der Zynismus, das allerdings grandios. Die Gags sind teilweise so subtil, dass sie nicht jeden im Publikum erreichen; es lachen manchmal lediglich gewisse Sitzinseln, nicht alle im Saal. Und die Mucke ist natürlich gut, stammt sie doch einmal mehr von Jarmuschs Drone-Band Sqürl. Das Country-Titellied von Sturgill Simpson hingegen gehört zu den Running Gags, die bald nerven (das Stück fehlt auf dem Soundtrack übrigens). Gut ist natürlich die Besetzung, aber so richtig zur Geltung können die Granden hier kaum kommen. Und typisch ist das Erzähltempo, das nach Jarmuschs Art angenehm entschleunigt die lebenden und die toten Figuren aufeinandertreffen lässt. Oder auch nicht.

Merkwürdig, dass Jarmusch diesen Film auf diese Weise drehte. Mit „Only Lovers Left Alive“ versuchte er sich beispielsweise am Vampirfilm, in dem aber das Vampirische lediglich die Grundlage ist für Jarmuschs Blick auf Welt und Kultur und die Figuren einen atmosphärischen Trip durch die Welt antreten. Bei den Zombies verlässt er kaum die über die Jahrzehnte eingetretenen Pfade. Dabei gibt es längst überzeugende Zombiekomödien, „Braindead (Dead Alive)“ von Peter Jackson, „Shaun Of The Dead“ von Edgar Wright und „Zombieland“ von Ruben Fleischer sind da die zu Recht beliebtesten Beispiele. Wenn Jarmusch so weitermacht, wird das böse enden.