Von Matthias Bosenick (27.03.2019)
Die Rechteinhaberei an André Franquins fabulösen Comictier Marsupilami ist nach Jahrzehnten an den Verlag Dupuis zurückgekehrt, und nun darf es im Rahmen der Comicreihe „Spirou & Fantasio“ nicht mehr nur aus des verstorbenen Erfinders Hand gezeichnet sein. Flugs setzten sich die derzeitigen Hauptseriengestalter Vehlmann und Yoann zusammen und kritzelten das schwarzgelbe Amazonastier mit den herausragenden Fähigkeiten in das bislang letzte Album „Der Zorn des Marsupilamis“. Parallel läuft die von Batem nach Franquins Tod fortgeführte eigene Serie des Marsupilamis, in der es häufig gegen Urwaldabholzungen, Naturzerstörungen und Großwildjagd geht. Diesen Geist nahmen zumeist auch die Zeichner-Texter-Teams auf, die in diesem ersten Band eine „Hommage an das Marsupilami“ kreierten. Die Stilpalette ist weit, die Themenvielfalt hingegen orientiert sich eng an Franquins kritischem Geist.
Weitergedacht ist hier nur eine der zehn Kurzgeschichten, und zwar gleich die erste: Brice Cossu und Olivier Bocquet erdenken sich einen Crossover von Marsupilami und Alien, ausgehend von den vergleichbaren Formen der Eier. Die Zeichnungen sind im dunklen Alien-Grün gehalten, das Marsupilami agiert bösartig und übermächtig. Kein Wunder, will doch ein Team von Soldaten dessen Eier klauen, um daraus Kriegsmaschinen zu gebären. Einzig die Pointe funktioniert nicht: Es ist eher unwahrscheinlich, dass sich Franquin im Jahre 1952 beim Erfinden des Tiers eine Technik wie die hier dargestellte vorgestellt haben könnte. Macht nix!
Weiter geht‘s: Baba und Lapuss‘ lassen das Marsupilami anschließend im Cartoonstil gegen Eichhörnchenjäger antreten, dann geben Silvio Camboni und Denis-Pierre Filippi dem altbekannten Großwildjäger Bring M. Backalive eine Tochter und damit eine menschliche Seite in den detailreich gezeichneten Urwald. Den ignoranten Selfie-Massentourismus kritisieren Priou und Pog wiederum im Cartoonstil, hier hat Backalives indigener Helfer Hasskainemadn die Rolle eines Touristenführers. Die „Ursprünge“ des Marsupilamis beleuchten David Tako und Jérôme Hamon in einem kunstcomicartigen Stil, der die Handlung nur schwer nachvollziehen lässt. Zurück zum Cartoon kehren Sti und Denis Goulet mit ihrer Geschichte um einen missglückten Wettbewerb der Wilderer.
Ernsthaftere Subtöne schlägt Renaud Collin an: Bei ihm kümmert sich ein Mädchen um das Wohlergehen des im Zoo gefangenen Tieres, das selbst zu einer potentiell gefangenen Bevölkerungsgruppe gehört. Großformatig und nahezu inhaltsleer bildet Interims-Spirouzeichner Munuera einen Alltag des Marsupilamis ab; das ist bedauerlich, waren seine Spirou-Geschichten doch sogar besser als die des Folgeteams, obwohl der Verlag das anders sah. Federico Bertolucci und Frédéric Brrémaud lassen die Feinde des Marsupilamis im herrlich altschuligen frankobelgischen Stil scheitern. Zuletzt beschreiben Yrgane Ramon und Mathieu Reynès grobpinselig und wortlos die Folgen unkalkulierbarer Umwelteinflüsse auf das Habitat der Tiere.
Dank der unterschiedlichen Stile und dem Format, das mehr als nur eine Seite pro Team erlaubt, bekommt man einen formidablen Eindruck davon, wie sich das Schicksal des Marsupilamis in unterschiedlichen Händen gestalten würde. Bei einigen ist man froh, dass sie nicht zu den Hauptautoren gehören, bei anderen malt man sich mit ihnen eine ernsthaftere Herangehensweise an das leider längst zum nervigen Kinderstar mutierten Tier aus. Diese „Hommage“ entspricht quasi einer verkürzten Variante der One-Shots von Spirou, bei denen externe Teams ganze Alben aus dem Kosmos des Abenteuerers gestalten. Ein zweiter Band dieser Hommage ist noch in der Pipeline.