Von Matthias Bosenick (19.03.2019)
Der Autor nimmt das Credo seines Titels ernst: Was auch immer andere lecker finden mögen, er findet einen Grund, darüber sauer zu sein. Und sei es auf Leute, die auf alles sauer sind. Ohne das Spiel mit Meta-Ebenen und eingestreutem selbstkritischen Augenzwinkern hielte man den Autoren – oder seine Ich-Figur – für einen selbstgerechten, negativen Meckerkopp, der nach eigener Ansicht zu wenig Geschlechtsverkehr hat (könnte eine Erklärung sein). Die Texte aus diesem Buch stammen von Lesebühnen, Poetry Slams und Magazinkolumnen – und geben viel zu selten Goehres verletzlicher Seite Raum. Dabei wirkt er genau in solchen Momenten am sympathischsten – und das kann er nicht verbergen, der Black-Metal-Slammer, dass er nämlich sympathisch ist. Sonst hätte man an der Lektüre nämlich weit weniger Vergnügen.
Goehre hat eine ernste Seite. Mit dem Text „Ach, Johannes, wo ist dein Punk geblieben?“ positioniert er sich gegen Nazis und hinterfragt die Beweggründe für den Rechtsruck selbst bei Leuten mit gleicher Sozialisation wie er – ein Phänomen, das wohl viele Menschen betrauern. Das dürfte der tiefste Text in diesem Buch sein. Denn offenbar scheint er seiner ernsten Seite selbst nicht ausreichend zu trauen. Oder seinem Publikum diese Ernsthaftigkeit nicht zuzutrauen. Spricht er Themen an wie Depressionen („Der schwarze Hund“), Posttraumatische Belastungsstörungen („Der Sex deiner Eltern“), missglückte Beziehungen oder die eigene Sterblichkeit, driftet er seinen Tonfall gern ins Flapsige und kurvt damit am Kern der Themen vorbei. Auf diese Weise geschieht es bisweilen, dass er manchen abgeholten Leser nach halber Strecke wieder verliert. So richtig einig kann man mit dem Ich-Erzähler nicht immer sein. Dabei wäre man das doch so gern, weil: Metal!
So kalt, wie Goehre tut, ist sein Herz nämlich nicht. Der Text „Bei der Partnervermittlung“ dürfte das Warmherzigste sein, das er in dieses Buch eingebracht hat. Hier beherrscht und bedient er die Nichterfüllung von Stereotypen und Vorurteilen und offenbart seine romantische Seite. Ganz anders als in dem mit „Romantik“ überschriebenen Text, in dem jene daraus besteht, mit der neuen Flamme gemeinsam nach dem Saufen kotzen zu können. Man versteht, was er meint, aber: Dieses Vulgäre und Fäkale ist eigentlich die Spielwiese von Comedians, hier greift er diese billigen Lacher ungeniert ab – abermals mit dem Kniff, das selbst im Einleitungstext zuzugeben und jedem Kritiker den Wind aus den Segeln nehmen zu wollen. Am Produkt ändert das indes nichts.
Über solches muss man hinwegsehen, wenn man sich die Geschichten zu Gemüte führt, denn Goehre berichtet von Kuriosem und Alltäglichem, Naheliegendem und Weithergeholtem, wie es sich für Kolumnisten, Slammer und Lesebühnenautoren eben gehört. Er betrachtet die Menschen um sich herum, in Öffis, Kneipen, auf der Straße, nur dass er sie zumeist Scheiße findet. Diesen kleinsten gemeinsamen Nenner teilt er vermutlich mit seiner Gefolgschaft, wird aber – der Rufer im Walde – die Nichtbekehrten erst gar nicht in sein Publikum integriert bekommen. Damit strahlt er dann manchmal eine auf den schnellen Lacher abgezielte, aber unangebrachte Überheblichkeit aus.
Was hier natürlich fehlt, ist systemimmanent: Diese Texte funktionieren vermutlich mit Goehres Vortragsweise viel besser. Man sieht und hört ihm gern zu, wie er inmitten härtester Themen plötzlich niedlich spricht oder bei gesteigertem Angepisstsein in übelste Schreierei ausbricht. Hat man ihn mal erlebt, fällt es leicht, Goehres Performanceweise in die Lektüre einzuflechten. Einen eigenen Sound hat Goehre auch als Schreiber, damit unterstreicht er, warum man sich ihn als Autoren aus der Masse der Kollegen zur Lektüre herauspicken sollte. Mit den oben genannten Punkten muss man sich arrangieren, wenn man das Buch nicht komplett beiseite legen will. Den schließlich ist es mindestens kurzweilig. Und irgendwie bleiben die ekligen Sachen ja auch hängen: Wer sich etwa mit Sabber auf der Wange aufwachend ertappt, hat sofort eine bestimmte Geschichte aus diesem Buch vor Augen.