Von Matthias Bosenick (15.03.2019)
Sie sind dann halt doch eher das Drei-Fragezeichen-Ding. Das neue Stück des Vollplaybacktheaters, bei dem es quasi um eine Art Justice League der Detektive geht, funktioniert bestens auf der Technikebene: Man staunt über die schlüssig zusammengeschnittenen Dialoge, die man als Mash-Up kaum ausmacht, sofern man die Originale nicht kennt. Somit erzählt „Die Liga der außergewöhnlichen Detektive“ vielmehr eine exklusive Geschichte, gemischt aus „Der Hund von Baskerville“ und einer Werwolfjagd, als dass dem Zuschauer die für sich stehenden Pointen im Sekundentakt um die Ohren fliegen. Ist okay, und vor allem deutlich besser als frühere Drei-Fragezeichen-lose Versuche der Wuppertaler.
Wie immer kommt dem Ensemble zugute, dass frühere Charaktersprecher wie Peter Pasetti, Horst Frank, Gottfried Kramer oder die kürzlich verstorbene Franziska Pigulla in unterschiedlichen Formaten eingesetzt waren, in diversen Hörspielreihen sowie bei zahllosen TV- und Kino-Synchronisationen. So kommt es, dass Sherlock Holmes bisweilen Zeilen von Alfred Hitchcock sagt und so mit Skinny Norris einen Drogendeal aushandelt oder dass Kommissar Reynolds einen Hang zum schmierigen Aufreißer hat. Die Zusammenschnitte sind weitgehend derart gut gelungen, dass man sich wundert, welche abgedrehte und einem selbst unbekannte Vorlage dem Stück wohl zugrundeliegen mag. Und wenn dann noch Watson – ohne passende Stimme indes – Texte von Justus Jonas absondert, der zufällig Schlagworte parat hat, die ins Geschehen passen, von „Bifi“ („Die Perlenvögel“ trifft auf eine Reisewurst) über „Mister Potter“ („Die flammende Spur“ und „Die blutenden Bilder“ trifft auf Harry) bis „Mister Sinclair“ („Zwillinge der Finsternis“ trifft auf den Sohn des Lichts), und John Sinclair den Hund von Baskerville als Werwolf ausmacht und sich mit seiner Kollegin Jane Collins der Detektivliga anschließt, kann man über den weiten popkulturellen Horizont und das narrative Geschick des Vollplaybacktheaters nur staunen.
Wenngleich, das muss angemerkt sein, dieses narrative Geschick nicht über die volle Spielzeit überzeugt, sondern sich auf einzelne Sequenzen beschränkt, die das Ensemble mit Füllmaterial verbindet oder streckt. Bisweilen stecken auch darin geschickte Verbindungen, manchmal indes fühlt man sich eher hingehalten. Uninspirierte Tanzeinlagen (das mit dem Feminismus-gegen-Anbaggern-Songabtausch ist zumindest inhaltlich großartig), sinnfreies Herumirren, zusammenhanglose Einschübe (was sollte das mit dem Zombie?) verwirren etwas und langweilen damit sogar. Nach der Pause aber nimmt die Geschichte Fahrt auf und werden die Zusammenfügungen schlüssiger.
Die Gags erschließen sich dieses Mal eher demjenigen, der die Originale zuordnen kann, also über den Aha-Effekt, als aus sich selbst heraus. Dafür ist die uralte Baskerville-Vorlage zu manierlich, Die drei Fragezeichen aus gleicher Zeit bieten da weit mehr Ansetzpunkte. Aber eben nicht nur: Die Wuppertaler finden assoziative Querverweise zu den Themenfeldern „Hund“, „Werwolf“ oder „Moor“, lassen die Liga auf Transformers treffen, Thomas Magnum über das jüngste Opfer stolpern oder Watson die Hausfledermaus von Batman abschießen.
Natürlich und gottseidank greift das Vollplaybacktheater auch auf eigene Hits zurück. John Sinclair darf in neuem Kontext „Den rechten Fuß vor, das linke Bein nachziehen“ und die Eissorten erhalten einen geremixten Radioedit. Auch im Stück selbst punkten die Running Gags: „Ich vermute, dass sie Geschwister sind“ und „Hallo, ist niemand hier?“ funktionieren jedes Mal. Das Bühnenbild ist noch minimalistischer als sonst, das Stück kommt mit weniger Umbauten aus und funktioniert trotzdem. Auch die Verkleideaktionen, etwa die Entwicklung des Werwolfs, sind einfachst, aber gerade deshalb charmant. Die Aufführungen geraten nie zu durchdesignten Samstagabendshows, und das vermeintlich Improvisierte gehört zum Charme des Vollplaybacktheaters. Der Humor der Wuppertaler beschränkt sich überdies nicht auf den Popmix: In Anlehnung an die Visitenkarte der Drei Fragezeichen lautet das Motto der Liga „Wir übernehmen uns auf jeden Fall“, der Eigenslogan „Alles spricht für uns“ könnte brillanter kaum sein.
Wie immer besticht auch hier das Ensemble selbst. Über die Jahre prägen die Mitglieder sich als Charakterdarsteller aus, jeder übernimmt einen bestimmten Typus an Figuren. Von Anfang an gelang es den Wuppertalern, die Gesichter von Justus, Peter und Bob als die ihrigen vor den inneren Augen der Hörspielhörer zu etablieren, heute bekommen erwachsenere Archetypen von ihnen ein konkretes Gesicht. Damit ist das Vollplaybacktheater ähnlich besetzt wie weiland Monty Python – und bringt etwas ähnlich Eigenständiges in die weltweite Kulturlandschaft.
Dieses Mal überzeugte eben eher die Mash-Up-Technik als der Humor, die schauspielerische Leistung war großartig wie immer. Darstellerin Britta Lemon feierte in Wolfsburg überdies ihren Geburtstag, ließ dies aber lediglich über die Social-Media-Kanäle verlautbaren – dabei hätte das Publikum sicherlich gern mitgefeiert. Das war bei der zweiten Aufführung der „Toteninsel“ im FBZ noch anders. Aber nicht schlimm, es gab ja das Stück als solches zu feiern, und das geschah auch: „Wolfsburg – Rock’n’Roll!“