Von Matthias Bosenick (25.01.2019)
Eine Mischung aus Klassik und Free Jazz, könnte man sagen, macht das Duo Wolfskull: Während Yvonne Nussbaum lieblich das Klavier oder die Orgel betupft, randaliert Jörg A. Schneider dezent auf seinem Schlagzeug herum. Liest sich merkwürdig, passt aber perfekt: Trotz der nervösen Drums hat dieses Debüt etwas Entspannendes. Spannend, was die einstigen Wegbegleiter von Les Hommes Qui Wear Espandrillos aus Hückelhoven inzwischen so miteinander fabrizieren!
In seinen unzähligen Projekten spielt Schneider sein Schlagzeug, wie er es seit seiner Zeit beim Noisecore in den Neunzigern verfeinerte: Für die meisten Hörer vermutlich unstrukturiert und willkürlich geht er auf seinem Drumset nieder wie eine Naturgewalt. Doch auch in seiner Raserei ist Schneider fähig, Varianten zu auszuprägen: Bei Wolfskull randaliert er leiser, sich angemessen in Nussbaums Beiträge fügend.
Denkt man sich das Schlagzeug weg, begleitet man Nussbaum auf ihrer Reise durch eine Welt, in der sie traumwandelt, kontempliert, versunken nach Innen reist, sich nicht hetzen lässt, die Außenwelt abschirmt. Behutsam betastet sie alternierend das Klavier und die Orgel, generiert scheinbar einfache Melodien, reduziert aufs Wesentliche, zurückhaltend, aber mit allen Lücken doch so raumfüllend, als spielte sie opulente Partituren. Diese Lücken füllt der Hörer vermutlich selbst aus, sofern er es nicht dem Schlagzeug überlässt. Später im Album kommen sphärische Synthies dazu, zuletzt sogar eine einigermaßen verstörende Art synthetischer Glocke.
Was Nussbaum also spielt, erinnert (sofern sie nicht die Orgel bedient; dieses Instrument befreit sie hier sowohl aus der Kirche als auch aus dem Classic Rock) an klassische Solopianomusik, allenfalls an Soundtracks englischer Sozialdramen aus den Neunzigern, also dudelfrei und mit Bedacht gespielt, und was Schneider ergänzt, wirbelt herum wie im Free Jazz. Also Jazz und Klassik von einem Noisecoreduo. So geht das.
Nussbaum und Schneider musizieren seit über 20 Jahren zusammen. Auffällig wurde Nussbaum, als die Bassistin 1996 den Platz des ausscheidenden Guido Lucas bei Les Hommes Qui Wear Espandrillos einnahm, bei denen Schneider seit jeher das Schlagzeug bediente. Auch nach dem Ende von LHQWE liefen sich die beiden regelmäßig im Studio über den Weg, etwa bei Aufnahmen von Gaffa, Fischessen, Lude, International Friendship Society und natürlich Skim, einem als Trio gegründeten Projekt mit ähnlicher Ausrichtung, das offenbar nie zu einer Veröffentlichung gelangte und nun in Wolfskull als Duo eine Fortsetzung findet. Ein Teil von Schneiders Collaborations-Serie aus dem Sommer sollte Wolfskull aus einem konkreten Grund übrigens nicht werden: Es ist nicht als einmaliges Projekt vorgesehen, sondern soll Fortsetzungen erfahren. Darauf kann man sich nur freuen.