Von Matthias Bosenick (21.02.2019)
So ganz still und heimlich wirft Anne Clark nach zehn Jahren Scheinpause ein neues Album auf den Markt, vertrieben ausschließlich über ihre Webseite. Als Verbündeten suchte sie sich das unbeschriebene Blatt Thomas Rückoldt aus Jena, die Texte stammen zum zweiten Mal nicht von ihr: Mit Soundscapes oder Piano unterfüttert, rezitiert Clark Lieblingsgedichte von Lieblingsdichtern. Verglichen mit dem Vorgängeralbum „The Smallest Acts Of Kindness“ beinahe enttäuschend minimalistisch, Tanzflächenfüller sind gar nicht enthalten. Doch gibt man dem Album eine Chance, öffnen sich die positiven Seiten und man gewinnt es lieb.
So still, wie das Album in die Welt kam, erklingt es auch: Rückoldt hält sich reduziert, entwirft zunächst eher Soundscapes als Songs und lässt die Ahnung von Rhythmen maximal dadurch aufkommen, dass er seinen Geräuschen regelmäßig wiederkehrende Strukturen zubilligt. Setzt er sich hingegen für andere Stücke ans Piano, erzeugt er damit sogar Wärme, und im Vergleich dazu nimmt man wahr, dass auch die anderen, elektronischen Tracks keine Kälte ausstrahlen. Ihnen liegt vielmehr Tiefe inne, romantische Dunkelheit beinahe, eher Kerzenflackern als Finsternis also. Auch Cello oder Harfe lässt Rückoldt zum Einsatz kommen, stets stimmig integriert . Auf einen richtigen Beat indes muss man fast bis zum Ende des Albums warten: Track 11 von 15 deutet ihn an, erst Track 13 setzt ihn um. „Our Darkness“ oder „Sleeper In Metropolis“ ertönt davon aber nicht.
Etwas befremdlich erscheint, dass die Poetin Clark hier nicht auf eigene Texte zurückgreift, doch muss man wohl annehmen, dass ihre Auswahl auch ihre Gefühlslage repräsentiert. Wie gewohnt setzt sie sich mit Welt, Gesellschaft und ihrem Innenleben auseinander; die Schwere der Themen greift Rückoldt passend auf. In einem Falle, „Buddha in der Glorie“, unterlässt es die Künstlerin dieses Mal, anders als noch auf „Just After Sunset“ mit Martyn Bates, Rainer Maria Rilke auf Englisch zu übersetzen, wagt es aber trotz jahrelanger enger Kontakte nach Deutschland nicht, das Gedicht selbst komplett zu rezitieren. Das überlässt sie ihrem musikalischen Partner, der das selbstredend nicht so gut hinbekommt wie sie, aber dafür ist er eben als Musiker umso besser.
Natürlich hatte Clark ihre kommerziell wichtigste Zeit in den Achtzigern, aber künstlerisch hat sie nie an Boden verloren. Sie zeigte sich immerfort wandelbar und doch eigensinnig, suchte sich je nach Zuneigung oder Stimmung andere Mitmusiker für ihre Projekte aus und kredenzt dem Hörer ein breites Portfolio an fabelhaften Werken. Das bislang letzte Album „The Smallest Acts Of Kindness“ von 2008 war eine sich über Spielzeit beschleunigende organische Platte, die sich von zerbrechlicher Intimität zur aggressiven Raserei steigerte. Damit lässt sich „Homage“ gar nicht mehr vergleichen, nicht einmal wirklich mit den EPs, die sie 2013 und 2014 mit HerrB herausbrachte und die ebenfalls rein elektronisch unterfüttert sind, aber anders als das vorliegende Album eher kalt und rhythmusbetont. Da passt noch eher der Vergleich zum Livealbum „Enough“ von 2012, auf dem Murat Parnak sie am Piano begleitet.
Schön war übrigens die 12“ „Between Shadow And Lights“, die Clark 2013 mit Kuniyuki veröffentlichte: Die zwei Tracks gehen beinahe in Richtung Trance, Clarks Stimme ist beschwörend eingebettet. Eher ins Kuriositätenfach hingegen gehört die Maxi-CD „Donald Trumb Praesidend (Quack Quack)“, die sie 2017 mit Ludwig London als Reaktion auf die Wahl des US-Präsidenten lancierte. Aber lustig is‘ schon. Ach ja, eine etwas seelenlose Dokumentation über Anne Clark gab’s ja auch noch. Also, kein Grund, über zehn Jahre Pause zu jammern: Die New-Wave-Sprechsängerin war fleißig und kreativ. Und bleibt es hoffentlich auch noch.