Von Matthias Bosenick (16.01.20019)
Der Gott der Hörspielmusik, der Bert Brac der Rechtsstreitereien, der Ex-Schlagzeuger von Frumpy: Carsten Bohn bündelt viele Attribute, die sich sämtlich in der 2004 mit dem eigens reaktivierten Bandstand gestarteten Reihe „Brandnew Oldies“ niederschlagen. Nach neunjähriger Pause und dem Rauswurf aller Begleitmusiker legt Bohn nun den vierten Teil seiner neu eingespielten Hörspielmusiken vor, die er ursprünglich bis zum Rechtstreit 1983 für das Europa-Label komponierte und die bei den meisten Hörern der entsprechenden Serien – von Die Drei Fragezeichen über Gruselserie und Fünf Freunde bis TKKG – noch heute ein heimeliges Gefühl erzeugen. Doch dieses Mal enttäuscht Bohn: Entweder ist das Erinnerungsvermögen des Hörers sehr schlecht – oder er veränderte die Stücke wirklich bis zur Unkenntlichkeit.
Selbst die Tracks, die man latent wiedererkennt, tragen nur homöopathische Ähnlichkeiten zu den Musiken aus dem Jahr 1983. War Bohn bislang um größtmögliche Authentizität bemüht, um auch ohne den Zugriff auf originale Instrumente den originalen Sound so exakt wie möglich zu rekonstruieren und die Songs trotzdem noch künstlerisch zu erweitern, legt er dieses Mal das Augenmerk in der Hauptsache auf seine künstlerische Freiheit. Die Originalität ist ihm egal, er musiziert im Alleingang, wie er es eben gern macht, und fusioniert Rock mit Jazz, Funk, Pop und Experiment. Das kann er, aber: Die wohlige Atmosphäre von vor 35 Jahren erzeugt er damit nicht mehr, und wenn er doch mal auf die damals üblichen Synthiesounds zurückgreift, klingen sie cheesy oder nerven gar.
Nur wenige der Stücke dieses Albums wecken Erinnerungen an vertraute Hörspielsounds. Nun kann es natürlich sein, dass das nicht allein daran liegt, dass Bohn sie dergestalt verfremdete, dass nichts von ihnen übrig blieb, sondern, dass die Originale in Serien zum Einsatz kamen, die man einfach nicht kennt. Das Oeuvre von Europa war und ist ja riesig. Dennoch, „Brandnew Oldies Vol. IV“ klingt einfach nicht nach 1983, dem Jahr, aus dem die Originale stammen.
Der Auswahl der Stücke liegt eine persönliche Geschichte zugrunde, auf die Bohn im Booklet eingeht. Seine damit verbundene Herangehensweise sei ihm zugebilligt, schließlich handelt es sich nun mal um sein eigenes Werk, mit dem er sich da auseinandersetzt. Für die Hörer, die eine wie in den ersten drei Teilen (und auf der Live-DVD) größtmögliche Nähe zur eigenen Erinnerung erwarteten, ist das aber enttäuschend, und als neu zu entdeckende Musik erreicht es nicht den Standard, den man von dem Schlagzeuger gewohnt ist. Einen fünften Teil kündigt Bohn noch an – es besteht also Hoffnung, dass er die Kurve kriegt. Da waren selbst die Remixe des TapeDeckProjects näher dran. Immerhin: Das wie gewohnt von Lillebror gezeichnete Cover lässt erahnen, welche Serien Bohn einst veredelte. Ein schönes Suchspiel!