Von Matthias Bosenick (02.11.2018)
Da bringt der lustige Spaßvogel mit dem unüberblickbaren Output nach zwei Jahren Scheinstille lediglich eine EP heraus. Mit den je nach Format vier bis fünf Tracks zeigt sich Richard D. James von seiner erwachsenen Seite, die er seit dem Album „Drukqs“ hegt und pflegt: weniger Fläche, mehr Verschachtelung, weniger Geradlinigkeit, mehr Experiment, trotz der Künstlichkeit erfreulich warm – IDM auf der Höhe der Zeit und abseits aller Erwartungen. Man kann Aphex Twin einfach nicht vorhersagen, da fällt nachvollziehen schon schwer. Großes Kleinformat!
James generiert. Vermutlich ist seine Herangehensweise ans Komponieren die zeitgenössische Entsprechung Johann Sebastian Bachs: Alles ist Mathematik (und wird womöglich dereinst in Kathedralen aufgeführt). Seine Beats sind extrem verschachtelt, bilden aber trotzdem immer einen erkennbaren Takt. Man bekommt den Eindruck eines Zappelphilipps, der nervös an seinem Drumcomputer herumschraubt und ihn dabei eine brüchige Wendeltreppe herunterfallen lässt. Parallel versucht er sich an Melodien, wobei er bisweilen mit der Maus ausrutscht und die Töne in Bereiche abseits der bekannten Tonleitern zieht. Da diese Melodien nicht die Nervosität der Rhythmen aufgreifen, bilden sie einen überraschenden Kontrast zu ihnen; in Kombination ergeben die Tracks dieser EP komplexe akustische Räume, in denen man herumstromern und auf Erkundungstour gehen kann. Noch überraschender ist, dass die Sounds trotz erkennbarer Technik als Grundlage angenehm warm klingen.
Vorsichtig sein müssen die Kunden der Vinyl-Version dieser EP, denn ihr fehlt der fünfte Track, den die CD indes beinhaltet (und der Download auch). Technische Gründe kann diese Entscheidung eigentlich nicht haben, das hätte man auch auf eine 12“ bekommen, zur Not auf 33 Umdrehungen; schließlich ließ James auf die „Computer Controlled Acoustic Instruments pt2“-EP sogar drucken, dass man sich die Abspielgeschwindigkeit selbst aussuchen könne. So willkürlich verfährt der Künstler recht gern mit seiner Musik: In einem Zeitschrifteninterview verriet er, dass er bei Streams und Downloads gern einzelne Tracks gegen neue Versionen austauscht und damit die Sammler zur Verzweiflung bringt. Herrlicher Humor!
Mit Humor geht James offenbar auch ans Komponieren, aber eben nicht nur, sondern mit einem weiten Horizont und der vielen Menschen fehlenden Fähigkeit zur Selbstreflexion. Er weiß, was er tut und was ihn dazu bringt, genau dies zu tun. Mit diesem Wissen um James‘ Vorgehensweise hat man sogar noch mehr Spaß an seiner Musik. Offenbar ist selbst die Willkür kuratiert. Was für ein großartiger Künstler. Allein auf weiter Flur, allenfalls flankiert von Autechre.