Von Matthias Bosenick (23.03.2018) | Auch veröffentlicht auf Kult-Tour Der Stadtblog
Das Hörspiel zum Comic, umgesetzt für die Surroundanlage von Planetarien: Mit den drei Fragezeichen erlebt man seit Jahrzehnten immerzu neue Darreichungsformen. Die sind für sich genommen jedoch zumeist spannender als die Fälle der jüngeren Zeit. Man darf sich also einerseits auf eine spezialgelagerte Sonderfolge freuen und muss andererseits doch fürchten, dass sie womöglich langweilig, krude und uninspiriert ist. Entwarnung: „Der dreiäugige Totenkopf“ funktioniert überraschend gut, die begleitenden Visuals sind stimmig, lediglich die Spieldauer ist ein winziges Bisschen zu lang für den dafür etwas zu gewöhnlichen Inhalt.
Es überrascht doch sehr, dass die akustische Umsetzung eines auf Visuellem basierenden Mediums sogar besser funktioniert als die Vorlage. Was jener selbst geschuldet ist, da der lückenhafte Zeichenstil zwar seine eigene Ästhetik hat, aber angesichts des Genres eine größere Genauigkeit erfordert. So entgehen einem die in Bildern versteckten Andeutungen, auf die die drei Ermittler im Hörspiel für den Zuhörer nicht weniger schlüssig stoßen, als wenn man es wie im Comic hätte mitbeobachten und wie sie übersehen können. Da muss der Regie und dem Skript mal Lob wiederfahren, wofür es seit über 70 Hörspielen bedauerlicherweise viel zu selten Anlass gibt; Ivar Leon Menger selbst, der Autor der Comic-Vorlage, war hier beteiligt, das könnte die Erklärung sein.
Man kann sich richtig fallen lassen in die Geschichte, was sicherlich auch den bequemen Sesseln im Planetarium zu verdanken ist. Über dem Hörenden spannt sich die Kuppel, in die das Hörspiel begleitende Darstellungen projiziert werden, und die sind ausgezeichnet gelungen: düster, verwischt, unkonkret, teilweise animiert; der Schwerpunkt liegt auf dem Hören, nicht auf dem Sehen. Den Stil des Comics übernehmen diese Bilder indes nicht, das hätte auch nicht gepasst, ebensowenig orientieren sie sich an den ikonischen Covern von Aiga Rasch, noch am ehesten an denen des Spin-Offs Die DR3I. Am Ende fragt man sich aber doch, ob man das Hörspiel auch ohne die Bilder so intensiv verfolgt hätte, und daran gibt es bei allem Genuss doch Zweifel, aber dazu später mehr.
Zur Geschichte: Die drei Detektive aus Rocky Beach werden einmal mehr in einen Fall hineingezogen, der ins alte Hollywood zurückführt; Erinnerungen etwa an „Das Labyrinth der Götter“ werden angeregt. Ähnlich wie dort geschah einst im Zuge von Dreharbeiten ein Verbrechen, der Filmdreh wurde gestoppt und entsprechende Aufnahmen sind seither verschollen. Hier geht es nicht um einen Mordverdacht, sondern um einen Juwelenraub, der auch Jahre nach der Tat noch unaufgeklärt ist. In der Gegenwart erhalten die drei Fragezeichen vom damaligen Regisseur den Auftrag, das Juwel zu finden. Die Geschichte schreitet anhand von klassischer Detektivarbeit voran, denn bei jedem Kontakt mit einem der vier Hauptverdächtigen treten neue Informationen zutage, denen Justus, Peter und Bob nachgehen. Zuletzt spielen Requisiten und Masken eine wichtige Rolle, ganz wie in Hollywood. Das Hörspiel setzt die Handlung des Comics lückenlos und vollständig um.
Im Planetarium verfolgt man die Geschichte dank der Filmeinspielungen direkt an den jeweiligen Schauplätzen, die man mit ihnen teilweise sogar durchschreitet; an mancher Stelle muss man schwindelfrei sein, ein beeindruckender Effekt. Besonders gelungen sind die Szenen in Bobs Käfer, speziell die Verfolgungsjagd im Maisfeld, sowie im Regen; ein schöner Gag ist die Szene, als die drei vor einem Museum im Auto übernachten müssen und über sich den Sternenhimmel „wie in einem Planetarium“ bestaunen. Ebenso unterhaltsam sind die vielen beinahe niedlichen Gags, die hier untergebracht sind. Peters „die schönen Möwen“ hat Autor Ivar Leon Menger aus seiner „Dreitag“-Episode „Fremder Freund“ kopiert, Justus wird als Pummelchen wiedererkannt, „Die schwarze Katze“, das erste Hörspiel dieser zweiten Planetariumsstaffel, findet Erwähnung; daran hat der Fan seinen Spaß und der Neuling kein Versäumnis. Der Fan indes wundert sich, dass Peter so über Bobs Leidenschaft für Horrorfilme schimpft, war er es doch, der im Fall „Roter Pirat“ eine Lanze für Zombievideos brach.
Mit Spoileralarm muss noch die schauspielerische Leistung von Holger Mahlich gelobt werden: Es ist nicht zu erkennen, dass mehr als nur eine Figur von ihm gesprochen wird. Selbst mitten im Satz wechselt er so überzeugend die Stimme, dass man sich fragt, wie man das in der Regie bei zwei Sprechern hinbekommen haben mag, ohne zu wissen, dass es keine zwei sind. Und übrigens kann man die Produktion dieser Episode zeitlich einordnen, weil hier noch der seit Folge 187 durch Axel Milberg ersetzte Thomas Fritsch als Erzähler auftritt.
Noch vor dem Start des Hörspiels findet man sich dank einer dunkel-dräuenden und vernebelten Projektion auf dem Schrottplatz von Titus wieder, auf dem der Campinganhänger, also die Zentrale, der drei Fragezeichen untergebracht ist. Aufmerksame Gäste hören leise die Kreissäge singen. Ein angemessener Auftakt, den das Hörspiel leicht aufnimmt. Das hat allerdings bei einer Spielzeit von 108 Minuten leider einige Längen. Manche Sequenzen sind mit unterhaltsamen Albereien oder nervigen Streitereien der drei Hauptfiguren angefüllt, andere mit spürbar die Spielzeit streckenden Geräuschansammlungen wie Weinen, Husten, Schluchzen, Stammeln. Ansonsten ist das Tempo in Begleitung der Visuals angemessen. Ohne die Bilder indes, also etwa auf CD oder bei Spotify zu Hause, kann man sich leicht vorstellen, dass das Hörspiel etwas zäh wirken und latent langweilen kann. Ganz so schlimm wie die drei Werke der ersten Staffel wird das aber nicht sein.
Das Planetarium als Vorführort ist ursprünglich eher wegen der Surroundanlage als wegen der Projektion ausgewählt. Dafür ist das Hörspiel so produziert, dass man Stimmen und Geräusche aus verschiedenen Richtungen hört und sich inmitten des Falls wähnt. Die Bilder unterstützen dies lediglich, aber bestens. Eine wundervolle Idee, die höchstens daran krankt, dass das Studio Europa in Sachen Sounds und Atmosphäre bei seinen Hörspielen zuletzt den Anschluss an andere Produktionen verpasst hat. Es fehlt der Wumms, der erst in der Abspannmusik zutage kommt; da wären Hörspiele von Volker Sassenberg oder Oliver Döring sicherlich noch eindrucksvoller gewesen. „Der Flüsterer“ etwa, die erste Folge von Gabriel Burns, existiert bereits in einer 5.1-Version. Dennoch, in dieser Planetariumsfolge steckt mehr technische Detailverliebtheit als sonst in der Serie.
Nach Buch, Hörspiel, PC-Spiel, Live-Hörspielen, Hörspielvorführungen von CD mit den Originalsprechern, der Rockshow-Umsetzung des Vollplaybacktheaters, Escape Room, Kinofilmen und Live-DVDs ist dies eine weitere Variante, die drei Fragezeichen dargereicht zu bekommen. Das Erlebnis ist ein schönes, das Konzept beim „dreiäugigen Totenkopf“ geht auf, man erlebt eine bereichernde Zeit. Bei einer Zweitverwertung dieser Staffel sollte das Label vielleicht in Erwägung ziehen, dies auf DVD geschehen zu lassen und die Visuals mitzuliefern. Das wäre dann noch ein neuer Baustein in der Verwertungskette, aber ein attraktiver.